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Das Echo aller Furcht

Das Echo aller Furcht

Titel: Das Echo aller Furcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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bekam er Gewissensbisse. Was bin ich eigentlich für ein Vater geworden? fragte er sich. Jack Jr. ging nächsten April oder Mai zur Erstkommunion, und wer konnte sagen, ob sein Vater überhaupt an diesem Tag zu Hause war? Ryan nahm sich vor, den Termin in Erfahrung zu bringen und schon jetzt einzuplanen. Kinder nahmen Kleinigkeiten wie Versprechungen sehr ernst ...
    Kleinigkeiten? Gott, wie konnte es nur so weit kommen? Was ist aus meinem Leben geworden?
    Er wartete ab, bis die Kinder in ihren Zimmern waren und ging dann in die Küche. Sein Abendessen stand im Backofen. Er stellte den Teller auf die Frühstücksbar und ging an den Kühlschrank. Seinen Wein kaufte er inzwischen in Boxen. Das war praktischer, und er stellte in letzter Zeit auch geringere Ansprüche an den Geschmack. Der Pappkarton enthielt einen Mylarbeutel mit australischem Weißwein von einer Qualität, wie sie die kalifornischen Winzer vor 20 Jahren produziert hatten. Der stark fruchtige Geschmack überdeckte die Unzulänglichkeiten, und der Alkoholgehalt lag über 12 Prozent - darauf war Jack vorwiegend aus. Er schaute auf die Küchenuhr. Wenn er Glück hatte, erwischte er sechseinhalb oder sieben Stunden Schlaf; dann begann ein neuer Tag. Ohne Wein konnte er nicht einschlafen. Im Büro lebte er von Kaffee; sein Körper wurde langsam mit Koffein vollkommen aufgefüllt. Früher hatte er ab und zu am Schreibtisch ein Nickerchen machen können, aber heute ging das nicht mehr. Um elf am Vormittag war er am Flattern, und am Spätnachmittag fühlte er sich physisch so erschöpft und aufgedreht zugleich, daß er sich manchmal fragte, ob er dabei war, ein bißchen verrückt zu werden. Nun, solange er sich die Frage stellte, konnte es so schlimm nicht sein.
    Einige Minuten später war sein Teller leer. Schade, daß die Mahlzeit im Ofen ausgetrocknet war; Cathy hatte sie selbst gekocht. Er hatte sich vorgenommen, zu einer annehmbaren Zeit nach Hause zu kommen, aber ... es war wie immer etwas dazwischengekommen. Als er aufstand, spürte er einen Stich im Magen. Auf dem Weg ins Familienzimmer nahm er aus seiner Jackentasche im Wandschrank ein Päckchen mit Magnesiumtabletten heraus. Er kaute ein paar und spülte sie mit Wein hinunter – dem dritten Glas in knapp 30 Minuten.
    Cathy war nicht im Zimmer, hatte aber Papiere auf den Tisch neben ihrem Sessel gelegt. Jack lauschte und glaubte, die Dusche laufen zu hören. Gut. Er griff nach der Fernbedienung und stellte für eine weitere Portion Nachrichten den CNN ein. Der erste Bericht befaßte sich mit Jerusalem.
    Ryan machte es sich in seinem Sessel bequem und lächelte. Es funktionierte also. Der Korrespondent berichtete über das Wiederaufleben des Tourismus. Geschäftsinhaber füllten in Erwartung des besten Weihnachtsgeschäfts seit zehn Jahren ihre Lager. Jesus, erklärte ein Jude, der in Bethlehem geblieben war, sei schließlich ein netter junger Jude aus einer guten Familie gewesen. Sein arabischer Geschäftspartner führte das Kamerateam durch den Laden. Ein arabischer Partner? dachte Jack. Nun, warum auch nicht?
    Es ist die Opfer wert, sagte sich Jack. Du warst an diesem Erfolg beteiligt. Du hast Leben gerettet, und wenn das kein Mensch weiß ... ach, zum Teufel. Du weißt, was du geleistet hast. Und Gott auch. Reicht das nicht?
    Nein , sagte er sich in einer seltenen Anwandlung von Ehrlichkeit.
    Was machte es schon, wenn die Idee nicht ganz auf seinem Mist gewachsen war? Was war schon originell? Er hatte den Einfall gehabt, er hatte die Parteien zusammengeführt und den Kontakt zum Vatikan geknüpft, er ... Er hatte Anerkennung verdient, eine kleine Fußnote in einem Geschichtswerk, aber konnte er darauf hoffen?
    Jack schnaubte in seinen Wein. Keine Chance. Liz Elliot, dieses gerissene Biest, erzählte aller Welt, es sei Charlie Aldens Einfall gewesen. Sollte Jack jemals versuchen, diese Geschichtsklitterung zu korrigieren, stünde er da wie ein Lump, der einem toten Mann sein Verdienst stiehlt – und einem guten Mann, trotz des Fehltritts mit der kleinen Blum. Kopf hoch, dachte Ryan. Du bist noch am Leben, hast Frau und Kinder.
    Ungerecht war die Sache trotzdem. Aber hatte er denn erwartet, daß es im Leben fair zuging? Werde ich langsam auch so wie Liz Elliot? fragte sich Jack. Ein engstirniger Radfahrer mit viel Ego und wenig Charakter? Er hatte sich schon oft Sorgen und Gedanken um diesen Prozeß gemacht, der Menschen verdarb. Er hatte die unverhohlenen Methoden gefürchtet, mit denen eine

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