Das Echo aller Furcht
Leute dazu, die Speisen und Getränke verkauften. Es war eigentlich kein wichtiges Spiel, aber fest stand, daß die Amerikaner diesen Sport ebenso ernst nahmen wie die Europäer ihren Fußball.Erstaunlich viele Menschen hatten sich die Gesichter mit den Farben der Heimmannschaft geschminkt. Manche hatten sich sogar Footballtrikots mit den in Amerika üblichen riesigen Nummern auf die nackte Brust gemalt. Vom Geländer der oberen Ränge hingen Transparente mit anfeuernden Parolen. Auf dem Spielfeld tanzten hübsche junge Mädchen in knappen Kostümen – um die Fans in Stimmung zu bringen. Bock lernte auch die »Welle« kennen: Beginnend an einem Punkt des weiten Stadions hoben und senkten alle Zuschauer gleichzeitig die Arme; der Effekt war eine umlaufende Woge von Gliedern.
Er lernte auch die Macht des amerikanischen Fernsehens kennen. Diese gewaltige, laute Menge nahm lammfromm Spielunterbrechungen hin, damit ABC Werbespots senden konnte – das hätte selbst unter den gesittetsten europäischen Fußballzuschauern einen Aufstand ausgelöst. Auf dem Spielfeld standen mehrere Schiedsrichter in gestreiften Trikots, die von Fernsehkameras überwacht wurden; wie Russell erklärte, gab es sogar einen »Replay Official« genannten Unparteiischen, der bei umstrittenen Entscheidungen anhand der Zeitlupenwiederholung schlichtete. Diese wiederum erschien auf zwei riesigen Monitoren im Stadion, die alle Zuschauer sehen konnten. In Europa hätte so etwas bei jedem Spiel zu Mord und Totschlag unter Fans und Schiedsrichtern geführt. Bock fand die Kombination von wilder Begeisterung und zivilisiertem Verhalten erstaunlich. Das Spiel selbst war für ihn weniger interessant, aber Russell ging begeistert mit. Die wüste Gewalttätigkeit beim amerikanischen Football wurde immer wieder von langen Perioden unterbrochen, in denen sich nichts tat. Gelegentlich aufflammende Meinungsverschiedenheiten zwischen Spielern blieben dank der rüstungsartigen Schutzkleidung ohne Konsequenzen. Und was waren das für Hünen! Kein Mann dürfte weniger als hundert Kilo gewogen haben. Man hätte sie leicht grobe, ungeschlachte Klötze nennen können, aber die Runningbacks oder Angriffsspieler waren erstaunlich schnell und wendig. Bock, der sich nichts aus Zuschauersport machte und nur als Junge ein bißchen gekickt hatte, waren die Regeln völlig unverständlich.
Günther wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Stadion zu, einem mächtigen, eindrucksvollen Bau mit gewölbtem Stahldach. Auf den Sitzen lagen dünne Kissen. Es gab genug Toiletten und sehr viele Verkaufsstände, an denen es vorwiegend dünnes amerikanisches Bier gab. Rechnete man die Polizisten, Verkäufer und Fernsehteams mit, waren insgesamt 65 000 Personen anwesend. Und in den nahen Apartmenthäusern ... Bock erkannte, daß er sich erst über die Auswirkungen einer Kernexplosion informieren mußte, wenn er die Zahl der Opfer richtig schätzen wollte. Hunderttausend waren es bestimmt, wahrscheinlich noch mehr. Genug also. Er fragte sich, wie viele der nun Anwesenden zum Superbowl kommen würden. Vermutlich die meisten. Da hockten sie dann auf ihren bequemen Plätzen, soffen ihr dünnes Bier und stopften sich mit Hotdogs und Erdnüssen voll. Bock war an zwei Anschlägen auf Flugzeuge beteiligt gewesen. Eine Maschine war im Flug gesprengt worden, und der Versuch einer Entführung war fehlgeschlagen. Damals hatte er sich vorgestellt, wie die Opfer auf ihren gemütlichen Plätzen saßen, ihre mittelmäßigen Mahlzeiten verzehrten, sich einen Film anschauten und nicht ahnten, daß Unbekannte ihr Leben in der Hand hatten. Das genoß er besonders: daß sie nicht Bescheid wußten, er aber wohl. Wenn man eine solche Macht über Menschenleben hat, kommt man sich vor wie Gott, dachte Bock und ließ seinen Blick dabei über die Menge schweifen. Ein besonders grausamer und gefühlloser Gott zwar, aber die Geschichte war eben grausam und gefühllos.
Ja, sagte er sich, das ist der richtige Ort.
19
Entwicklung
»Commodore, das kann ich nur schwer glauben«, sagte Ricks so gelassen wie möglich. Er war gebräunt und erholt aus dem Urlaub auf Hawaii zurück. Dort hatte er natürlich den U-Boot-Stützpunkt in Pearl Harbour besichtigt und davon geträumt, das U-Geschwader I zu befehligen. Dieses setzte sich zwar aus Jagd-U-Booten zusammen, aber wenn ein Jäger wie Mancuso ein strategisches Geschwader übernehmen konnte, mußte auch Ricks die Chance bekommen.
»Dr. Jones ist ein erstklassiger
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