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Das Echo aller Furcht

Das Echo aller Furcht

Titel: Das Echo aller Furcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Sozialismus verwirklichen wollten (ein Modell, das in Massachusetts kläglich versagt hat, dachte Jack ironisch); die politische Mitte, die ein bißchen Marktwirtschaft mit einem dichten sozialen Netz wollte (also die Nachteile beider Welten, wie jeder Ökonom wußte); die Reformer, denen der Sinn nach einem grobmaschigen sozialen Netz und uneingeschränktem Kapitalismus stand (nur wußte außer dem rapide expandierenden kriminellen Sektor niemand, was freie Marktwirtschaft überhaupt war); und ganz rechts standen jene, die ein autoritäres Regime errichten wollten (wie es vor 70 Jahren mit dem Kommunismus eingeführt worden war). Im Kongreß der Volksdeputierten verfügten die beiden extremen Gruppen jeweils über rund zehn Prozent der Stimmen. Die restlichen 80 Prozent entfielen ziemlich gleichmäßig auf die drei anderen, gemäßigteren Positionen. Selbstverständlich brachten gewisse Themen die Loyalitäten durcheinander – um Fragen des Umweltschutzes wurde ganz besonders hitzig gekämpft –, aber am explosivsten war die Diskussion um den bevorstehenden Zerfall der Union, das Abdriften der Republiken, die schon immer das russische Joch hatten abschütteln wollen. Und schließlich hatte jede Fraktion noch ihre Untergrüppchen. Zum Beispiel ging bei der Rechten im Augenblick die Rede, man sollte einen Romanow, also einen Aspiranten auf den Zarenthron, zurück ins Land holen – nicht als Herrscher, sondern um sich bei ihm offiziell für die Ermordung seiner Vorfahren zu entschuldigen. So ging jedenfalls das Gerücht. Wer diese Idee ausgebrütet hat, dachte Ryan, ist entweder so naiv wie Alice im Wunderland oder ein gefährlicher Vereinfacher. Zum Glück meldete die CIA-Station Paris, der Fürst aller Reußen habe ein besseres politisches Gespür als seine Sponsoren und dächte nicht an eine solche Reise.
    Negativ war, daß die politische und wirtschaftliche Lage in der Sowjetunion völlig hoffnungslos aussah, und SPINNAKERs Bericht machte alles noch ominöser. Andrej Il’itsch Narmonow war verzweifelt. Er verlor Optionen, Verbündete, Ideen, Zeit und Spielraum. Er konzentrierte sich, wie der Agent meldete, viel zu sehr auf das Nationalitätenproblem und versuchte nun sogar, den Sicherheitsapparat fester in den Griff zu bekommen – Innenministerium (MWD), KGB und Militär –, um das Imperium mit Gewalt zusammenzuhalten. Aber das Militär, berichtete SPINNAKER, war weder mit diesem Auftrag noch mit den halbherzigen Maßnahmen, die Narmonow plante, glücklich.
    Schon seit Lenins Zeiten waren über das sowjetische Militär und seine angeblichen politischen Ambitionen Spekulationen angestellt worden. Stalin hatte Ende der dreißiger Jahre mit der Sense in seinem Offizierskorps gewütet; man war allgemein der Auffassung, daß Marschall Tuchatschewski keine politische Bedrohung dargestellt hatte, sondern nur ein weiteres Opfer von Stalins bösartiger Paranoia geworden war. Auch Chruschtschow hatte in den späten fünfziger Jahren Säuberungen angeordnet, aber keine Massenhinrichtungen; er wollte weniger Geld für Panzer ausgeben und sich mehr auf Atomwaffen verlassen. Narmonow selbst hatte eine ganze Reihe von Generälen und Obersten in Pension geschickt; seine Absicht war ausschließlich die generelle Reduzierung der Rüstungsausgaben gewesen. Aber diesmal ging die Kürzung des Verteidigungshaushalts mit einer politischen Wiedergeburt des Militärs einher. Zum ersten Mal existierte im Land eine echte Opposition, und Tatsache war, daß die sowjetischen Streitkräfte über alle Waffen verfügten. Als Gegengewicht zu diesem bedenklichen Potential gab es seit Generationen das 3. Hauptdirektorat des KGB, dessen Mitglieder Uniformen trugen und das Militär überwachen sollten. Doch das 3. Hauptdirektorat war nur noch ein Schatten seiner selbst. Die Militärs hatten Narmonow bewogen, es aufzulösen – das war die Vorbedingung für ihr Ziel einer neuen, wahrhaft professionellen und dem Land und der Verfassung verpflichteten Roten Armee.
    Historiker beschreiben die Zeit, in der sie leben, unweigerlich als eine des Übergangs. Und damit haben sie zur Abwechslung einmal recht, dachte Jack. Als was sollte man die gegenwärtige Periode sonst bezeichnen? Die Sowjets balancierten wacklig zwischen zwei politischen und wirtschaftlichen Welten und waren noch nicht sicher, wohin sie sich wenden wollten. Und das machte sie verwundbar für... was? fragte sich Jack.
    Für praktisch alles.
    Laut SPINNAKER wurde Narmonow zu einer

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