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Das Echo aller Furcht

Das Echo aller Furcht

Titel: Das Echo aller Furcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Moldawier, Letten und Tadschiken der Moskauer Linie folgten. Die kommunistische Führung liebten sie noch weniger als ihre Urgroßväter die Zaren. Narmonow schaffte die führende Rolle der Partei ab und verlor damit die Kontrolle über sein Volk. Leider hatte er der alten Ordnung aber keine neuen Werte entgegenzusetzen. In einer Nation, die seit über achtzig Jahren immer nach Plan gewirtschaftet hatte, gab es plötzlich keinen Plan mehr. Das führte notwendigerweise dazu, daß es, als Aufruhr die Ordnung ablöste, kein Handlungsmuster, keine Linie, kein Ziel gab. Narmonows glänzende politische Manöver waren letzten Endes sinnlos. Das hatte Kadischow klar erkannt. Warum aber sahen das die Amerikaner nicht, die alles auf das Überleben ihres Mannes in Moskau setzten?
    Bei dem Gedanken schnaubte der 46jährige Abgeordnete verächtlich. Er war schließlich ihr Mann. Er hatte die Amerikaner seit Jahren gewarnt, und sie hatten ihm auch zugehört, nur um dann mit Hilfe seiner Meldungen einen Mann zu stützen, der zwar viel Geschick, aber keine Vision hatte – und was war ein Führer ohne Vision?
    Die Amerikaner, ebenso dumm und blind, hatten sich von der Gewalt in Georgien und im Baltikum überraschen lassen. Den aufkeimenden Bürgerkrieg in den südlichen Republiken ignorierten sie. Beim Rückzug aus Afghanistan waren eine halbe Million Waffen verschwunden; zwar überwiegend Gewehre, aber auch Panzer! Die sowjetische Armee hatte die Situation noch nicht einmal ansatzweise im Griff. Narmonow kämpfte Tag für Tag damit wie ein überforderter Jongleur, kam kaum nach, konzentrierte sich mal auf das eine, mal auf ein anderes Objekt und hielt seine Teller nur mit knapper Mühe in der Luft. Verstanden die Amerikaner denn nicht, daß es eines Tages Scherben geben mußte? Bei dem Gedanken an die Konsequenzen mußte jedem angst werden. Narmonow brauchte eine Vision, einen Plan. Er hatte jedoch weder das eine noch das andere.
    Bei Kadischow aber sah das anders aus. Die Sowjetunion mußte aufgelöst werden. Die Republiken mit islamischer Bevölkerung mußten ziehen, die Balten, die Moldauische SSR. Er hatte auch vor, die westliche Ukraine zu entlassen – den Ostteil wollte er behalten. Er mußte die Armenier vor einem Massaker durch die Moslems schützen und sich zugleich den Zugang zu Aserbaidschans Öl sichern – so lange jedenfalls, bis er mit westlicher Hilfe die Ölfelder Sibiriens erschließen konnte.
    Kadischow war mit Herz und Seele Russe. Rußland, das Herzstück der Union, mußte wie eine gute Mutter ihre Kinder ins Leben entlassen, wenn die Zeit gekommen war. Übrig blieb dann ein Land, das sich von der Ostsee zum Pazifik erstreckte, eine vorwiegend homogene Bevölkerung hatte und riesige, kaum erfaßte und erst recht nicht erschlossene Ressourcen. Es konnte und sollte ein großes, starkes Land sein, mächtig, reich an Kunst und Geschichte, führend in den Wissenschaften. Er wollte ein Rußland leiten, das eine echte Supermacht war, Partner und Freund der anderen europäischen Länder. Das war seine Vision. Es war seine Aufgabe, das Land ins Licht der Freiheit und des Wohlstands zu führen. Und er war bereit, notfalls dafür die Hälfte der Bevölkerung und 25 Prozent der Fläche aufzugeben.
    Aber aus unerfindlichen Gründen halfen ihm die Amerikaner nicht. Ihnen mußte doch klar sein, daß Narmonows Kurs in eine Sackgasse, wenn nicht sogar an den Rand eines Abgrunds führte.
    Wenn ihm die Amerikaner nicht helfen wollten, mußte er sie eben dazu zwingen. Die Mittel dazu hatte er. Allein aus diesem Grund hatte er sich von Mary Pat Foley anwerben lassen.
    Es war noch früh am Morgen in Moskau, aber Kadischow hatte schon vor langer Zeit gelernt, mit einem Minimum an Schlaf auszukommen. Seine Berichte verfaßte er auf einer alten und schweren, aber leisen Schreibmaschine. Kadischow benutzte ein Baumwollfarbband, dem nicht anzusehen war, was er damit geschrieben hatte. Das Papier stammte aus der zentralen Versorgungsstelle für Bürobedarf, zu der mehrere hundert Leute Zugang hatten. Wie alle professionellen Glücksspieler war Kadischow ein vorsichtiger Mann. Sobald er fertig war, zog er sich Lederhandschuhe an, wischte etwaige Fingerabdrücke vom Papier, faltete den Bogen und steckte ihn in eine Manteltasche. In zwei Stunden sollte die Meldung weitergegeben werden und knapp zwanzig Stunden später in andere Hände gelangen.
     
    Agent SPINNAKER hätte sich die Umstände ersparen können. Der KGB hatte Anweisung, die

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