Das Echo aller Furcht
Volksdeputierten nicht zu belästigen. Die Garderobenfrau steckte das Papier ein und bald darauf einem Mann zu, dessen Name sie nicht kannte. Dieser Mann verließ das Gebäude und fuhr zu seinem Arbeitsplatz. Zwei Stunden später lag die Meldung in einem Behälter in der Tasche eines Kuriers, der zum Flughafen fuhr, um eine 747 nach New York zu besteigen.
»Wohin geht es diesmal, Dr. Kaminskij?« fragte der Fahrer.
»Kurven Sie einfach herum.«
»Wie bitte?«
»Ich muß mit Ihnen reden«, sagte der Arzt.
»Worüber?«
»ich weiß, daß Sie vom KGB sind.«
»Aber Dr. Kaminskij«, erwiderte der Fahrer lachend. »Ich bin nur Chauffeur bei der Botschaft.«
»Ihr Krankenblatt hat Dr. Feodor Ilitsch Gregoriew unterschrieben, ein KGB-Arzt. Wir haben zusammen studiert. Darf ich weitersprechen?«
»Haben Sie schon mit anderen geredet?«
»Nein, natürlich nicht.«
Der Fahrer seufzte. Da war wohl nichts zu machen. »Was möchten Sie besprechen?«
»Sind Sie vom Auslandsdirektorat?«
Der Chauffeur konnte der Frage nicht ausweichen. »Korrekt. Hoffentlich ist die Sache wichtig.«
»Sie könnte bedeutsam sein. Jemand aus Moskau muß kommen. Ich habe einen Patienten mit einer sehr ungewöhnlichen Lungenkrankheit.«
»Warum sollte mich das interessieren?«
»Weil ich ähnliche Symptome schon einmal gesehen habe – bei einem Arbeiter aus Belojarskij. Nach einem Betriebsunfall.«
»So? Und was ist in Belojarskij?«
»Eine Atomwaffenfabrik.«
Der Fahrer bremste ab. »Ist das Ihr Ernst?«
»Es könnte auch ein anderes Leiden sein, aber um das sicher feststellen zu können, muß ich ganz spezielle Tests ausführen. Wenn wir es mit einem Projekt der Syrer zu tun haben, können wir nicht mit deren Unterstützung rechnen. Deshalb brauche ich die Spezialgeräte aus Moskau.«
»Wie schnell?«
»Der Zustand des Patienten ist hoffnungslos. Er wird uns nicht entkommen.«
»Diese Anfrage muß ich über den Regierungsvertreter leiten, und der kommt erst am Sonntag wieder zurück.«
»Das würde reichen.«
32
Abschluß
»Kann ich mithelfen?« fragte Russell.
»Nett von dir, Marvin«, erwiderte Ghosn. »Aber das erledige ich lieber allein und ungestört.«
»Kann ich verstehen. Ruf mich, wenn du etwas brauchst.«
Ibrahim zog seine dicksten Sachen an und ging hinaus. Es schneite heftig. Gelegentlich fiel auch im Libanon Schnee, aber so etwas wie hier hatte Ghosn noch nie erlebt. Der Sturm hatte vor einer knappen Stunde begonnen, und jetzt lagen schon mehr als drei Zentimeter Schnee. Er spürte den schneidenden Nordwind bis in die Knochen, als er die 60 Meter zur Scheune zurücklegte. Den Verkehr auf der nahen Autobahn konnte er zwar hören, die Scheinwerfer der Fahrzeuge aber nicht sehen. Er betrat die Scheune durch eine Seitentür und bedauerte schon, daß das Gebäude unbeheizt war. Laß dich von solchen Widrigkeiten nicht beeinflussen, ermahnte er sich.
Der Pappkarton, der die Bombe vor neugierigen Blicken schützte, war nicht befestigt und ließ sich leicht abheben. Nun kam ein mit Knöpfen, Schaltern und Skalen besetzter Metallkasten zum Vorschein, der aussah wie ein Videobandgerät, wie es von Fernsehanstalten benutzt wird. Der Vorschlag war von Günther Bock gekommen, und das Gehäuse des Geräts hatten sie der Nachrichtenabteilung des syrischen Fernsehens abgekauft. Die Klappen in dem Gehäuse erfüllten fast perfekt Ghosns Zwecke, und drinnen war sogar noch genug Platz für die Vakuumpumpe, falls sie gebraucht wurde. Das war nicht der Fall, wie Ghosn gleich feststellte. Ein Instrument an der Bombenhülle zeigte an, daß keine Luft eingedrungen war. Das war für den jungen Ingenieur, der gegenüber dem verstorbenen Fromm behauptet hatte, so gut schweißen zu können, aber doch ein Anlaß, Befriedigung zu empfinden. Nun prüfte er die drei neuen Nickel-Kadmium-Batterien: Sein Testgerät zeigte volle Ladung an. Neben den Batterien war der Zeitzünder eingebaut. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß die Zündklemmen nicht belegt waren, schaute er auf seine Armbanduhr, die er schon auf Ortszeit gestellt hatte, und verglich. Der Digitalanzeiger des Zünders wich um drei Sekunden ab, aber das war für Ghosns Zwecke genau genug. Drei Gläser, die man in das Gehäuse gelegt hatte, waren noch intakt. Die Sendung war auf dem Transport also vorsichtig behandelt worden.
»Du bist bereit, mein Freund«, sagte Ghosn leise, schloß die Klappe, überprüfte, ob der Verschluß eingerastet war, und stülpte dann den
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