Das Echo aller Furcht
Direktorat bildete eifrig Übersetzer für die Auswertung des gewonnenen Materials aus.
Sergej Nikolajewitsch Golowko war aus seinem gesunden Schlaf geweckt und zur Arbeitsstelle gefahren worden, wo er, ebenso wie die vielen anderen Menschen überall auf der Welt, auf die schockierende Nachricht mit Angst und Ernst reagierte. Er war schon immer beim Ersten Hauptdirektorat gewesen und hatte die Aufgabe, die kollektive Psyche Amerikas zu untersuchen und seinen Präsidenten über Entwicklungen zu beraten. Hierbei waren die entschlüsselten Meldungen, die ihm auf den Schreibtisch flatterten, ein nützliches Werkzeug.
Nun lagen ihm über dreißig solcher Meldungen vor, die allesamt zwei Botschaften enthielten. Alle strategischen Kräfte wurden in Alarmstufe 2, die konventionellen in Alarmstufe drei versetzt. Der amerikanische Präsident ist in Panik geraten, dachte der erste stellvertretende Vorsitzende des KGB. Eine andere Erklärung konnte es nicht geben. Hielt er es denn für möglich, daß die Sowjetunion diese infame Tat begangen hatte? Das war der furchteinflößendste Gedanke seines Lebens.
»Wieder ein Spruch, diesmal von der Marine.« Der Bote legte ihm den Bogen auf den Tisch.
Golowko brauchte nur einen Blick auf das Papier zu werfen. »Geben Sie das als Blitzmeldung an die Marine weiter.« Über den Rest mußte er den Präsidenten informieren. Golowko griff nach dem Telefon.
Zur Abwechslung arbeitete die sowjetische Bürokratie einmal rasch. Minuten später wurde ein ELF-Spruch abgesetzt, und das Unterseeboot Admiral Lunin kam an die Oberfläche, um die volle Nachricht zu empfangen. Kapitän Dubinin las mit, als sie aus dem Drucker kam.
AMERIKANISCHES U-BOOT USS MAINE MELDET SEINE POSITION ALS 50g-55m-09sN/153g-01m-23sW. ANTRIEB WEGEN KOLLISION UNGEKLÄRTER URSACHE AUSGEFALLEN. Dubinin verließ die Funkerkabine und ging an den Kartentisch.
»Wo befanden wir uns, als wir den metallischen Schallimpuls hörten?«
»Hier, Käpt’n, und er kam aus dieser Richtung.« Der Navigator zog mit Bleistift eine Linie.
Dubinin schüttelte nur den Kopf und reichte ihm die Meldung. »Sehen Sie sich das mal an.«
»Was wird er jetzt wohl tun?«
»Sich dicht an der Oberfläche halten. So ... wir gehen jetzt knapp unter die Schicht und rauschen los. Wegen des Oberflächenlärms wird sein Sonar uns nicht hören. 15 Knoten.«
»Glauben Sie, daß er uns verfolgte?«
»Für diese Erkenntnis haben Sie aber lange gebraucht.« Dubinin maß die Entfernung zum Ziel. »Sehr stolz, dieser Bursche. Na, wir werden ja sehen. Prahlen die Amerikaner nicht, sie könnten unsere Rümpfe knipsen? Diesmal, mein junger Leutnant, sind wir an der Reihe!«
»Was bedeutet das?« fragte Narmonow den ersten stellvertretenden Vorsitzenden.
»Die Amerikaner sind von unbekannten Kräften angegriffen worden. Die Attacke war ernst und hat viele Menschenleben gekostet. Es ist also zu erwarten, daß sie ihre Streitkräfte in Alarmbereitschaft versetzen. Eine Priorität wäre die Wahrung der öffentlichen Ordnung«, erklärte Golowko über eine gesicherte Leitung.
»Und?«
»Und leider sind alle ihre strategischen Waffen auf die Rodina gerichtet.«
»Aber wir hatten mit dieser Sache überhaupt nichts zu tun!« wandte der sowjetische Präsident ein.
»Sicher, aber solche Reaktionen erfolgen automatisch. Sie sind vorausgeplant und laufen fast unwillkürlich ab. Wer angegriffen worden ist, reagiert mit äußerster Vorsicht. Gegenmaßnahmen werden im voraus geplant und laufen an, damit man ohne zusätzliche und unnötige Ablenkungen rasch handeln und sich mit der Analyse des Problems befassen kann.«
Der sowjetische Präsident wandte sich an seinen Verteidigungsminister. »So, und was unternehmen wir nun?«
»Ich empfehle eine erhöhte Alarmbereitschaft, aber natürlich rein defensiver Natur. Wer diesen Angriff geführt hat, mag versuchen, auch uns zu treffen.«
»Genehmigt«, sagte Narmonow unverblümt. »Höchste Alarmstufe in Friedenszeiten.«
Golowko runzelte am Telefon die Stirn. Seine Wortwahl war absolut korrekt gewesen: unwillkürlich. »Darf ich einen Vorschlag machen?«
»Bitte«, sagte der Verteidigungsminister.
»Wenn es möglich ist, sollten wir unsere Truppen über den Anlaß für den Alarm informieren. Das mag die Schockwirkung des Befehls mindern.«
»Eine überflüssige Komplikation«, war die Meinung des Verteidigungsministers.
»Die Amerikaner haben das unterlassen«, fuhr Golowko dringlich fort. »Und das war gewiß
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