Das Echo aller Furcht
Wahrheit.«
Jack erhob sich von seinem Sessel. »Sir, Sie mögen Präsident der Vereinigten Staaten sein, aber ich muß Sie bitten, mich nie wieder der Lüge zu beschuldigen! Meine Frau rief gerade an und wollte wissen, ob sie die Kinder in Sicherheit bringen soll. Wenn Sie glauben, daß ich in einer solchen Situation dumme Spiele treibe, dann sind Sie derjenige, der Hilfe braucht!«
»Danke, Ryan, das genügt.« Die Verbindung wurde unterbrochen.
»Guter Gott!« rief der Offizier vom Dienst.
Ryan schaute sich nach einem Papierkorb um und schaffte es gerade noch, fiel auf die Knie und erbrach sich. Dann griff er nach einer Dose Coke, spülte sich den Mund aus und spuckte die Flüssigkeit in den Papierkorb. Niemand sagte ein Wort.
Jack richtete sich auf. »Sie blicken nicht durch«, sagte er leise und steckte sich eine Zigarette an. »Sie blicken einfach nicht durch. Im Grunde ist das ganz einfach. Es besteht ein Unterschied zwischen Unwissenheit und der Erkenntnis seiner eigenen Unwissenheit. Wir stecken in einer Krise, und bei allen Beteiligten bricht ihre alte Natur wieder durch. Der Präsident denkt wie ein Jurist, versucht die Fassade zu wahren, tut, worauf er sich versteht, geht die Beweismittel durch, baut seine Anklage auf, vernimmt Zeugen, versucht alles aufs Wesentliche zu reduzieren. Liz ist auf die Tatsache fixiert, daß sie hätte in die Luft fliegen können, und unfähig, das zu vergessen. Nun denn.« Ryan zuckte die Achseln. »Das kann ich wohl verstehen. Ich war auch schon einmal in einer solchen Situation. Als Politikwissenschaftlerin sucht sie nach einem theoretischen Modell und bläst das nun dem Präsidenten ein. Ihr Szenarium ist elegant, basiert aber auf Unsinn. Habe ich recht, Ben?«
»Sie haben etwas ausgelassen, Jack«, meinte Goodley.
Ryan schüttelte den Kopf. »Nein, Ben, dazu komme ich noch. Weil ich die Beherrschung verloren habe, hört man jetzt nicht mehr auf mich. Ich hätte das wissen sollen; ich wurde ja gewarnt und sah es sogar kommen, aber trotzdem brauste ich auf. Und der Clou ist, daß Fowler sein Amt mir zu verdanken hat. Wäre ich nicht gewesen, säße er noch heute in Columbus, Ohio, und Liz Elliot hielte in Bennington jungen Studentinnen Vorlesungen.« Jack trat wieder ans Fenster. Draußen war es dunkel, und die Raumbeleuchtung machte aus der Scheibe einen Spiegel.
»Wovon reden Sie?«
»Das, meine Herren, ist geheim. Na, vielleicht setzt man mal folgendes auf meinen Grabstein: Hier ruht John Patrick Ryan. Er versuchte, das Richtige zu tun – und seht nur, was er anrichtete. Hoffentlich kommen Cathy und die Kinder durch ...«
»Immer mit der Ruhe, so schlimm ist es noch nicht«, besänftigte der Offizier vom Dienst, aber alle Anwesenden fröstelten nun.
Jack drehte sich um. »Wirklich nicht? Sehen Sie denn nicht, worauf die Sache hinausläuft? Fowler und Elliot hören auf niemanden. Sie sind wie taub. Dennis Bunkers Rat oder Brent Talbots hätten sie vielleicht befolgt, aber diese beiden sind nun nur noch Fallout irgendwo über Colorado. Ich bin der einzige Berater, den sie im Augenblick haben, und ich bin abgesägt worden.«
41
Das Feld am Camlann
Admiral Lunin fuhr gefährlich schnell. Kapitän Dubinin wußte, daß das riskant war, aber eine solche Chance bot sich nur selten. Es war in der Tat seine erste – und auch die letzte? fragte er sich. Warum hatten die Amerikaner ihre nuklearen Streitkräfte in volle Alarmbereitschaft versetzt? Gewiß, eine mögliche Kernexplosion in ihrem Land war eine schwerwiegende Angelegenheit, aber wie konnten sie so wahnsinnig sein und annehmen, die Sowjets hätten sie ausgelöst?
»Die Karte des Polargebiets, bitte«, sagte er zu seinem Steuermannsmaat. Dubinin wußte zwar, was er zu sehen bekommen würde, aber in dieser Situation durfte er sich nicht auf sein Gedächtnis verlassen, sondern durfte nur aufgrund harter Fakten entscheiden. Die einen Quadratmeter große, auf Karton aufgezogene Karte wurde einen Augenblick später auf den Tisch gelegt. Mit einem Stechzirkel maß Dubinin die Distanz zwischen Moskau und der geschätzten Position der Maine einerseits und zu den ICBM-Silos in der Mitte seines Landes andererseits.
»Ja.« Klarer konnte die Lage kaum sein.
»Was ist, Käpt’n?« frage der Starpom.
»USS Maine befindet sich unseren Informationen zufolge im nördlichsten Patrouillensektor der in Bangor stationierten strategischen Boote. Plausibel, nicht wahr?«
»Gewiß. Allerdings wissen wir nur wenig über
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