Das Echo aller Furcht
ganz Israel ist für die Gegenseite das Feuer frei. Die Israelis haben dieselbe Mentalität wie wir Frontschweine in Vietnam. Für sie gibt es nur zwei Kategorien: ihre eigenen Leute – und alle anderen.« John Clark schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, wie oft ich auf der Farm versucht habe, das den Jungs einzutrichtern? Die Grundlage des Überlebenstrainings. Die Israelis können gar nicht anders denken. Die Nazis ermordeten Millionen von Juden, und wir rührten keinen Finger – nun, vielleicht konnten wir damals auch nichts tun. Andererseits frage ich mich, ob wir es nicht doch geschafft hätten, Hitler auszuschalten, wenn wir es nur ernsthaft versucht hätten. Wie auch immer, ich finde ebenso wie Sie, daß die Israelis ihre Scheuklappen ablegen müssen. Vergessen Sie aber nicht, daß wir da sehr viel von ihnen verlangen.«
»Vielleicht hätte ich Sie mit zu Avi nehmen sollen«, merkte Jack an und gähnte.
»Zu General Ben Jakob? Soll ein knallharter, bierernster Typ sein. Seine Leute respektieren ihn, und das bedeutet allerhand. Schade, daß ich nicht dabei war, Chef, aber ich hatte meine zwei Wochen Angelurlaub nötig.« Selbst Frontschweine bekamen manchmal frei.
»Andeutung verstanden, Mr. Clark.«
»Hören Sie, ich muß heute nachmittag runter nach Quantico, um mich an der Pistole zu requalifizieren. Und Sie sehen, mit Verlaub gesagt, so aus, als könnten Sie ein bißchen Entspannung vertragen. Warum kommen Sie nicht mit? Ich besorge Ihnen eine hübsche kleine Beretta zum Spielen.«
»Keine Zeit, John.«
»Aye aye, Sir. Sie verschaffen sich keine Bewegung, Sie trinken viel zuviel, und Sie sehen miserabel aus, Dr. Ryan. Das ist meine fachmännische Diagnose.«
So ähnlich hat sich Cathy gestern abend auch ausgedrückt, dachte Ryan, aber Clark hat ja keine Ahnung, wie schlimm es wirklich um mich steht. Jack starrte aus dem Fenster auf die erleuchteten Häuser, in denen die Regierungsbeamten gerade erst aufwachten.
»Sie haben recht. Ich muß etwas unternehmen, aber heute fehlt mir einfach die Zeit.«
»Sollen wir morgen in der Mittagspause ein bißchen joggen?«
»Da muß ich leider zu einem Essen mit den Direktoratschefs«, wich Jack aus.
Clark schwieg und konzentrierte sich aufs Fahren. Wann blickt der arme Teufel endlich durch? fragte er sich. Trotz seiner Intelligenz ließ er sich von seinem Job kaputtmachen.
Der Präsident schlug die Augen auf und blickte auf eine wuschlige blonde Mähne, die seine Brust bedeckte, und einen zarten Frauenarm, der sich um ihn schlang. Man konnte auf unangenehmere Art aufwachen. Er fragte sich, warum er so lange gewartet hatte. Sie war schon seit Jahren für ihn zu haben gewesen, diese hübsche, geschmeidige Vierzigerin, und er hatte als Mann seine Bedürfnisse. Seine Frau Marian hatte jahrelang gelitten und einen verzweifelten Kampf gegen die Multiple Sklerose geführt, an dessen Ende für die einst lebhafte, charmante, intelligente und temperamentvolle Person der Tod stand. Sie war das Licht in Fowlers Leben gewesen und hatte das, was als seine Persönlichkeit galt, eigentlich selbst erschaffen, die mit ihrem Tod langsam abstarb. Tm Grunde ein Verteidigungsmechanismus, das wußte er. Endlose Monate lang hatte er stark sein, ihr die stoische Energie liefern müssen, ohne die sie so viel früher gestorben wäre, aber dabei war aus Bob Fowler ein Automat geworden. Charakterstärke, Kraft und Mut eines Mannes sind nicht unbegrenzt, und mit Marians Leben war auch seine Menschlichkeit verebbt. Vielleicht sogar noch mehr, gestand sich Fowler.
Das Perverse daran war, daß diese Erfahrung einen besseren Politiker aus ihm gemacht hatte. In seinen besten Jahren als Gouverneur und im Präsidentschaftswahlkampf hatte er sich zur Überraschung der selbsternannten Experten, Kommentatoren und Ferndiagnostiker als der ruhige, leidenschaftslose, von Vernunft geleitete Mann dargestellt, den die Wähler sehen wollten. Geholfen hatte ihm auch die Tatsache, daß der Wahlkampf seines Vorgängers aus unerklärlichen Gründen plump geführt worden war, obwohl Fowler glaubte, daß ihm der Sieg so oder so sicher gewesen war.
Seit seinem Erfolg vor knapp zwei Jahren war er seit Grover Cleveland der erste Präsident ohne Frau. Die Leitartikler nannten ihn den Technokraten im Weißen Haus, den Mann ohne Persönlichkeit, und daß er Jura studiert und als Rechtsanwalt gearbeitet hatte, schien bei den Medien niemanden zu scheren. Sobald man ihm ein Etikett verpaßt hatte, das die
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