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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Radiergummispitze eines Bleistiftes rhythmisch auf einen leeren Block.
    Sarah bewegte ihren Mund ganz dicht an das Ohr ihres Mannes und hauchte: »Du hast doch immer erzählt, dass Kennedy kein Mann einsamer Entscheidungen sei. Sag Bundy, er muss die Berater des Präsidenten informieren. Das wird ihm einleuchten.«
    Robert lächelte seine Ehefrau an. Seine Augen sagten: Guter Einfall, Sarah. Es war zu gefährlich, sich vor dem Spiegel laut zu unterhalten. Er wandte sich der glatten Kristallplatte zu und flüsterte: »McGeorge, altes Haus, denk scharf nach! Wenn du jetzt zu Jack läufst und ihm von der Sache erzählst, dann wird er dich nach Beweisen fragen, und die kannst du ihm nicht geben. Nicht im Augenblick. Wenn Ray Cline sich wieder meldet und die Angelegenheit bestätigt, dann kannst du handeln. Schreib dir inzwischen die Namen all derjenigen auf, denen der Präsident vertraut, und versuch herauszubekommen, wo sich die Männer im Augenblick befinden. So bist du vorbereitet und kannst gleich morgen früh eine Sitzung anberaumen.«
    Jonas’ Vater lehnte sich langsam zurück. Der Mann im Spiegel saß eine Weile lang bewegungslos da, als wäre er eine Wachsfigur aus Madame Tussauds Kabinett.
    Zuerst bewegte sich der Bleistift: Er senkte sich auf das Papier herab. Dann erwachte auch der Mann an dem Schreibwerkzeug. Mit schnellen, eckigen Bewegungen kritzelte er anscheinend Namen auf das Papier. Als Robert das Bild im Spiegel etwas näher heranholte, konnte man sie deutlich erkennen:
     
    Robert Francis Kennedy, Attorney General
    Robert McNamara, Secretary of Defense
    Lyndon Baines Johnson, Vice President
    General Maxwell D. Taylor, Chairman of the JCS
    John McCone, Director, Central Intelligence Agency
    Dean Rusk, Secretary of State
    Douglas Dillon, Secretary of the Treasury
    George Ball, Undersecretary of State
    Roswell Gilpatric, Deputy Secretary of Defense
    Llewellyn Thompson, Ambassador-at-Large
    McGeorge Bundy, National Security Advisor
     
    Bundy nickte zufrieden. »Jack soll sich ruhig auch noch ein paar Namen einfallen lassen. Schließlich ist er ja der Präsident«, murmelte er. Dann griff er zum Telefon. »Janice, ich glaube, Sie müssen heute etwas länger bleiben.«

 
    KÖNIG ARTUS’ TAFELRUNDE
     
     
     
    John Fitzgerald Kennedy sah man seine Anspannung nicht an. Er war ein Meister im Verstellen. An diesem Morgen jedoch wurden seine schauspielerischen Talente auf eine besonders harte Probe gestellt. Wenn er gewusst hätte, dass elf Augenpaare aus einer anderen Welt seit vier Stunden schon jeden seiner Schritte verfolgten, dann wäre es wohl mit seiner Beherrschung endgültig vorbei gewesen.
    Um acht Uhr fünfundvierzig hatte der persönliche Sicherheitsberater den Präsidenten über die U-2-Aufnahmen von San Cristobal informiert. Noch in der Nacht waren von McGeorge Bundy alle wichtigen Beamten des Präsidenten über die Situation auf Kuba in Kenntnis gesetzt worden. Jack Kennedy hatte immer großen Wert darauf gelegt, kluge Köpfe in seinem Beraterstab zu haben, auch wenn manche die Mitglieder seines Teams respektlos als »Eierköpfe« abqualifizierten. Immerhin, die freundlich gesinnte Presse sah im Weißen Haus ein neues Camelot und im Kreis der Minister und Berater Kennedys die Reinkarnation der Tafelrunde von König Artus. Jetzt saßen seine tapferen Recken im Cabinet Room und warteten gespannt darauf, dass ihr »König« ihnen den Feind zeigte.
    Nachdem McGeorge ihn über den Ernst der Lage in Kenntnis gesetzt hatte, rief Jack zuerst bei seinem Bruder an. Robert Kennedy – Jack nannte ihn in privaten Gesprächen meistens nur »Bobby« – lauschte still am Hörer.
    Der Präsident sagte nicht viel: »Du musst umgehend ins Weiße Haus kommen. Uns stehen große Schwierigkeiten bevor. Ich habe für elf Uhr fünfundvierzig eine Sitzung anberaumt, aber ich möchte dich gerne noch vorher sprechen.«
    Bobby kam sofort. Im Arbeitszimmer seines Bruders wurde Robert mit knappen Worten über den Stand der Dinge aufgeklärt: Luftaufnahmen bewiesen eindeutig das Vorhandensein von sowjetischen MRBMs und strategischen Langstreckenbombern vom Typ IL-28 sowie den Aufbau von Raketenabschussrampen auf Kuba. Er, Bobby, wisse doch, was diese Nachricht bedeute.
    Nach dem Bruder informierte Jack einen anderen engen Vertrauten, den republikanischen Anwalt John McCloy. Der Jurist hatte während der Berlin-Krise 1961 persönlich mit Chruschtschow auf dessen Sommerresidenz am Schwarzen Meer verhandelt. Er kannte also

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