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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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prominentesten Adresse des Landes zurollte: 1600 Pennsylvania Avenue N. W. Washington, D. C.
    Im Weißen Haus wurde er von seinem Bruder begrüßt. Bobby unterrichtete Jack knapp über den Fortgang der ExComm-Beratungen. Die Brüder hatten am vergangenen Freitag mehrmals miteinander telefoniert und so gab es nur wenig wirklich Neues zu berichten. Während Kennedy ins Schwimmbassin stieg, um seinem schmerzenden Rücken Linderung zu verschaffen, spürte Jonas’ Vater ein zartes Klopfen auf seiner Schulter. Als er sich umsah, blickte er in Darinas Gesicht. Die Wissende mahnte mit stummen Gesten zum Aufbruch. Robert nickte. Augenblicklich verschwand das Bild im Spiegel.
    Jonas war kein großer Freund von Höhlenwanderungen. Solange er die unterirdischen Wunder aus Büchern kennen lernen durfte, waren sie für ihn faszinierend und interessant, aber als er nun selbst in einen finsteren Schacht einsteigen sollte, legte sich Beklemmung auf seine Brust.
    Die Spalte, die von der Juwelenschlucht aus gerade in den Fels hineinführte, war so niedrig, dass Robert und Sam nur mit eingezogenem Kopf reiten konnten. Selbst Jonas musste hin und wieder einem Felsen ausweichen. Der Gang tauchte immer tiefer in das Herz Azons hinein. War er am Anfang noch regelmäßig, fast wie ein Tunnel geformt, wurde er bald unberechenbar: einmal eng, dann weit und hoch, steil abfallend und wieder leicht ansteigend, unterbrochen von großen Kammern und verwirrenden Abzweigungen und wenige Schritte später so geradlinig, als hätten geschickte Hände den Pfad durch den Fels getrieben.
    Nach etwa drei Stunden betraten die Freunde einen unterirdischen Saal, der so riesig war, dass die Fackeln, die Numins Volk ihnen mitgegeben hatte, nicht ausreichten, um die Decke zu erleuchten. Überall von den aufragenden Buckeln und Säulen, von den Wänden und selbst vom Fußboden wurde ein seltsames Glitzern zurückgeworfen.
    »Deshalb nennen die Keldinianer das Tal die ›Juwelenschlucht‹«, sagte Numin fast schon ehrfurchtsvoll.
    Jonas konnte es gar nicht glauben, aber das Glitzern stammte von Edelsteinen aller Art, von Opal und Topas, Aquamarin und Jaspis, Chrysopras und blau schimmerndem Mondstein. Er stand in einer Schatzkammer, die kein lebendes Wesen zusammengetragen hatte. Der Mutterstein selbst, der gigantische blaue Kristall, hatte sich hier eine Kinderstube für seinen Nachwuchs geschaffen.
    »In der Juwelenschlucht gibt es viele solcher Höhlen«, merkte Numin an. »Aus ihnen beziehen wir das Baumaterial für unsere Häuser.«
    »Kannst du schon sagen, wie weit es noch bis zum Vorhang ist, Darina?«, fragte Ximon, den die ganze Pracht scheinbar nicht sonderlich beeindruckte.
    »Ich habe nur ein Gefühl, mehr nicht. Vielleicht noch ein oder zwei Stunden.«
    »Dann lass uns noch einmal in Keldins Spiegel schauen.«
    Darina seufzte. »Aber nur kurz.«
    Diesmal wurden die Reit- und Packtiere nicht festgebunden. Allein das Licht der Fackeln reichte aus, um sie am Weglaufen zu hindern. Verwundert fragte sich Jonas, weshalb eigentlich die brennenden Stäbe der Kalvarer nicht erneuert werden mussten. Offenbar hatte auch dieser Stamm des Kleinen Volkes seine großen Geheimnisse.
    Die funkelnden Edelsteine warfen ein betörendes Licht über den Kreis der stillen Beobachter, als im Spiegel das Oval Office erschien. Im Amtszimmer des amerikanischen Präsidenten herrschte geradezu Gedränge. Hinter den Stühlen am rechteckigen Tisch standen weitere an der Wand oder frei im Raum. Man ahnte sogleich, dass dies keine normale Sitzung des Exekutivkomitees war. Rabe, Bonkas und Menschen verfolgten eine Weile lang die Beratungen des Krisenstabes.
    Es handelte sich um eine offizielle Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates der Vereinigten Staaten von Amerika. McNamara hatte seine Argumente für eine Blockade dargelegt, andere die ihrigen für einen militärischen Angriff. Auch diesmal hatte es wieder den einen oder anderen Gefühlsausbruch gegeben, doch nun verlief die Diskussion größtenteils diszipliniert ab.
    Umso mehr fuhr Jonas der Schrecken in die Glieder, als einer der Stabschefs sich für den Einsatz von Atomwaffen stark machte. Der Militär vertrat die Meinung, auch der Gegner würde sich nicht scheuen, so weit zu gehen.
    »Was meinen Sie, John?«, fragte Jack Kennedy gerade den CIA-Direktor.
    John McCone erinnerte den Präsidenten daran, dass die Außenpolitik Chruschtschows äußerst sprunghaft war. »Denken Sie doch nur daran, wie dieser Bauer bei der

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