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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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vollauf gelungen. Stolz betrachtete Jonas seine neueste Errungenschaft. Sie war mit zahlreichen bunten Edelsteinen verziert. Ob dieses Geschenk wohl so eine Art Friedensangebot im Hinblick auf Darina war?
    Abgesehen von Kraark bestand die Karawane weiterhin aus zehn Personen und nun fünf Lastschelpins. Bergalf und Mangaar wollten unter keinen Umständen mehr Tiere mitnehmen. Darina hatte unmissverständlich dargelegt: Entweder würden alle in spätestens zwei Tagen in Laomar einziehen oder nie dort ankommen.
    Während die bunten Häuser Kalvars langsam zu einem blaugrauen Strich am Horizont verschmolzen, konnte Jonas zu seiner Rechten eine andere, erheblich größere Karawane erblicken. Sie war zu weit weg, als dass man Einzelheiten hätte erkennen können. Aber Numin erklärte, dies sei ein Trauerzug, unterwegs zur Bestattung der dreizehn Toten, die der »Gorrmack-Fluch« gefordert hatte. So nannte man inzwischen den Angriff des Unwesens auf die Stadt und unter diesem Namen würde das Ereignis wohl auch in die Sagen der Keldinianer eingehen.
    Alle zwei Stunden wurde eine Pause eingelegt. Das war notwendig, um weiterhin über die Ereignisse auf der Erde informiert zu sein. Doch da gab es wenig Neues.
    Der Kriegsrat in Washington tagte nun ohne seinen Vorsitzenden. Dadurch konnten einige Teilnehmer freizügiger als zuvor ihren Unmut äußern oder ihre Frustration beim Tischnachbarn abladen. Sicher spielten hierbei auch Anspannung und Müdigkeit eine Rolle. Viele der Männer, die da auf ihre Weise einen heroischen Kampf führten, hatten seit drei oder vier Tagen kaum geschlafen. Sie waren ununterbrochen nur mit einer einzigen Frage befasst gewesen: Wie konnte man die Sicherheit und das Ansehen der Vereinigten Staaten bewahren, ohne dabei das Leben der gesamten Menschheit aufs Spiel zu setzen?
    »Wenn du mich fragst, ist diese ganze Krise, die ihr Menschen euch da ausgedacht habt, nichts weiter als heiße Luft«, sagte Kraark mit einem Mal. Wie so oft zuvor, saß er auch jetzt vor Jonas’ Sattel und reckte ihm herausfordernd den Schnabel entgegen.
    Jonas reagierte nicht. Er musste an seine Großeltern denken. Ob er sie wohl jemals wieder in die Arme schließen konnte?
    »Du scheinst anderer Meinung zu sein«, stichelte der Rabe weiter.
    »Was?«
    Kraark wiederholte seine Aussage.
    »Ich bin auch ein Mensch und ich habe das weder gewollt noch es mir ausgedacht.«
    »Das habe ich nicht gemeint.«
    »Könntest du dich dann vielleicht etwas klarer ausdrücken?«, antwortete Jonas genervt.
    »Na, da legt der Adler seine Krallen an das Revier des Bären und keiner spricht davon, dass die Welt an einem Abgrund steht. Wenn aber der Bär das Gleiche tut, ist sofort die ganze Menschheit bedroht. Findest du das normal?«
    Jonas sah den Raben verwundert an. »Nein«, musste er zugeben. »Bisher habe ich nur gedacht, dass es ziemlich heuchlerisch ist, dem Nachbarn etwas zu verbieten, was man selber tut. Aber du hast Recht: Wenn der Präsident, sein Bruder und all die anderen im Stab sich einfach nur ein bisschen ärgern würden, wie es Chruschtschow ja auch getan hat, und damit basta, dann gäbe es gar keine Krise.«
    »Genau das habe ich gemeint. Es hat einmal jemand gesagt, dass der ›Hinterhof Amerikas‹ sauber bleiben muss, und jetzt sind sie sogar bereit viele Millionen Menschenleben zu opfern, weil einer ihnen ein paar schimmlige Brotkrumen hineingeworfen hat.«
    »Na ja, vielleicht ist das eine etwas zu starke Vereinfachung, Kraark.«
    »Die großen Wahrheiten sind immer einfach, Jonas. Wenn die Menschen anfangen sie kompliziert darzustellen, kommen meistens Lügen heraus.«
    Jonas dachte dann noch lange darüber nach, was Kraark gesagt hatte. Der Rabe war wirklich ein außergewöhnlicher Vogel!
    Während die Karawane sich in Etappen von jeweils zwei Stunden durch die Steppe bewegte, kam der Kriegsrat auf der Erde nur langsam voran. Man prüfte, ob eine Seeblockade gegen Kuba überhaupt völkerrechtlich zulässig sei. (Jonas fragte sich, warum die Vereinigten Staaten denn plötzlich so zimperlich waren, wo sie doch vorher mit ihren U-2-Spähaktionen ganz eindeutig gegen das internationale Rechtsempfinden verstoßen hatten.) Theodore Sorensen, der von vielen als Kennedys Alter Ego angesehen wurde, weil er dessen Reden schrieb und ihn auf seinem politischen Weg schon so lange wie kaum
    ein Zweiter begleitet hatte, begann gegen drei Uhr nachmittags eine ganz besondere Ansprache für den Präsidenten auszuarbeiten. Jack

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