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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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UN-Sitzung in New York mit seinem Schuh auf das Pult einhämmerte.« Während der Berlin-Krise hatte der Kremlchef bewiesen, dass sein Handeln sich jeglicher Logik entzog. Einige von McCones Analytikern trauten dem temperamentvollen Russen so ziemlich alles zu.
    Kennedy wandte daraufhin ein, dass er sich noch recht gut an einen Brief Chruschtschows erinnern könne, den dieser ihm Ende des letzten Jahres geschickt habe. Der »Bauer«, wie McCone den Sowjetführer genannt hatte, habe in seinem Schreiben erwähnt, dass Hinterlassenschaften vergangener Gemetzel »wie giftige Pflanzen stündlich Triebe des ›Kalten Kriegs‹ hervorbringen«. Solche Zeilen schreibe kein Mann, der um jeden Preis eine Auseinandersetzung herbeiwünsche. Kennedy, der wie immer hervorragend vorbereitet war, zog eine Profilstudie hervor, die der Geheimdienst für ihn über den Kremlchef angefertigt hatte, und zitierte aus Chruschtschows Lebenslauf. Der nun fast Siebzigjährige habe im Zweiten Weltkrieg mit eigenen Augen die Leiden seines Volkes erlebt, als Politkommissar das Schlachten bei Stalingrad gesehen. Dann las Jack direkt aus dem CIA-Bericht vor: Chruschtschow hoffe, hieß es darin, seine Raketen würden den Westen zwingen die UdSSR respektvoll zu behandeln; sie stärkten die nationale Sicherheit der Sowjetunion, förderten die Weltrevolution und trügen vielleicht sogar dazu bei, »den Weltfrieden durch Abrüstung zu sichern«.
    Kennedy lächelte. »Natürlich versteht Chruschtschow etwas anderes unter dem Begriff ›Weltfrieden‹ als wir, aber wir sollten ihn nicht vorschnell als Kriegstreiber abstempeln, meine Herren.«
    Jonas konnte einmal mehr beobachten, wie die sonst so streitbaren Recken von »König John« klein beigaben, sobald sie Gefahr liefen sich den Zorn ihres obersten Waffenherren zuzuziehen.
    Ximon nutzte die günstige Gelegenheit und flüsterte Adlai Stevenson, der eigens zu dieser ExComm-Sitzung aus New York angereist war, etwas in den Sinn. Es waren nur wenige Worte, die Jonas nicht einmal verstehen konnte, aber er sah, wie der UN-Botschafter sich plötzlich von seinem Platz erhob und noch einmal die amerikanischen Raketenstellungen in der Türkei und in Italien aufs Tapet brachte. Die Vereinigten Staaten sollten der Sowjetunion bedeuten, dass sie bereit seien ihre Stellungen in Europa abzubauen, wenn die Russen dies ihrerseits in Kuba täten.
    Zur Enttäuschung der azonischen Beobachter wurde Stevensons Vorschlag glatt abgeschmettert. Der Grundsatz »Gleiches Recht für alle!« galt offenbar nicht für das mächtigste Land der Erde. Jack dankte Adlai für seinen Vorschlag, räumte sogar ein, dass er den Wert der Jupiter-Raketen in den besagten Ländern schon seit langem anzweifele, aber in der gegenwärtigen Situation müssten die Vereinigten Staaten Stärke beweisen.
    Jonas versuchte für sich die Argumentation des Präsidenten auf einen einfachen Nenner zu bringen: Die anderen sind die Bösewichte, nicht wir, und deshalb werden wir keinen Zoll nachgeben – entweder sie ziehen ihre Raketen bedingungslos ab oder es knallt.
    Es würde schrecklich knallen, wenn am Ende doch noch die Stabschefs zu ihrem Unrecht kamen, dachte Jonas. Als das Oval Office wieder aus dem Spiegel verschwand, schien sich sein Magen zu einem dicken Knoten verkrampft zu haben. Das Exekutivkomitee hatte sich zwar für eine Seeblockade entschieden und der Präsident war gewillt diesen Plan der Nation mitzuteilen, aber im Hintergrund standen schon die Generäle, in ihren Händen brennende Streichhölzer und gleich daneben ein atomares Pulverfass.
     
     
    Der Abstieg in die Finsternis wurde für Jonas langsam zum Alptraum. Wie licht, wie geräumig war doch die Höhle der Flüsterer gegen dieses düstere Labyrinth gewesen! Die große Juwelenhöhle lag inzwischen weit hinter ihnen.
    Anderthalb Stunden lang waren sie nun schon im unruhigen Licht der Fackeln durch Gänge und kleine Höhlen gewandert. Seit einiger Zeit konnten sie ihre Tiere nur noch an den Zügeln führen, weil die Decke des Tunnels zum Reiten zu niedrig war. Mit Ausnahme von Sarah bedeutete das für die Menschen eine besondere Belastung, weil sie nur noch gebückt vorankamen.
    Ximon und Lischka sprachen in Jonas’ Rücken leise über die Beobachtungen auf der Erde. Sie diskutierten alle Möglichkeiten, wie man den amerikanischen Präsidenten davon abhalten konnte, seinen kampflustigen Beratern doch noch freie Hand zu lassen. Dabei kamen die beiden Flüsterer auf die wildesten

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