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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Bonka den wolligen Schelpins das Leben schwer machte. Wie wenig er doch über seine Freunde wirklich wusste! Während der Reise durch das Zwieland waren sie so damit beschäftigt gewesen, ihr Leben zu schützen und gleichzeitig über die Krise auf der Erde zu wachen, dass sie nur wenig über private Dinge geredet hatten.
    Bald lag die große Höhle der Flüsterer hinter ihnen und Lischka führte sie in eine kleine Felsenkammer. Hier gab es sogar einen runden Tisch und acht Stühle. An der Wand hing eine Kugel, die spärliches Licht verströmte.
    Der erste Blick in den Spiegel führte die stillen Beobachter in McGeorge Bundys Büro. Das Kalenderblatt verkündete:
     
    Montag
    22
    Oktober
     
    Das Telefon klingelte pausenlos. Bundy sprach kurze Anweisungen in den Hörer und legte wieder auf, antwortete manchmal nur mit einem Ja und beendete das Gespräch oder bellte ein Nein und warf den Hörer auf die Gabel.
    Im State Department wurde kurz vor elf das offizielle »Go!« ausgegeben. Von nun an lief der Zeitplan, den George Ball, Alexis Johnson und Ed Martin ausgearbeitet hatten. Die Botschaften rund um den Globus wurden über die Kubakrise informiert, ebenso die führenden Köpfe der Verbündeten. In den Montagmorgenzeitungen stand zu diesem Zeitpunkt nur etwas von einer ernsten Krise und einer Rede, die der Präsident am Abend diesbezüglich halten würde.
    Um elf informierte Dean Acheson den französischen Staatschef Charles de Gaulle über die Krise. De Gaulle hätte gerne das vollständige Manuskript von Kennedys Fernsehansprache gesehen, doch weil Theodore Sorensen und Jack noch daran feilten, musste Acheson ihn vertrösten. Nachdem der ehemalige Außenminister der Vereinigten Staaten seine Zusammenfassung abgeschlossen hatte, erklärte de Gaulle: »Das ist genau das, was ich auch getan hätte. Sie können ihrem Präsidenten mitteilen, dass Frankreich ihm beistehen wird.«
    Etwa um dieselbe Zeit setzte der US-Botschafter in London, David Bruce, den britischen Premier Harold Macmillan und dessen Außenminister Lord Home von der Krise in Kenntnis. Auch Bruce konnte den verbündeten Staatsmännern nicht den genauen Wortlaut von Kennedys Rede übermitteln, aber als Macmillan die Fotos von den Raketenstellungen sah, meinte er spontan: »Jetzt werden die Amerikaner wohl begreifen, was wir hier in England während so vieler Jahre durchgemacht haben.« Er beeilte sich zu versichern, dass Großbritannien die Vereinigten Staaten in jeder erdenklichen Weise unterstützen werde.
    Der unermüdliche Acheson sprach später am Tag noch mit Konrad Adenauer, dem Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Der sechsundachtzigjährige Politiker wirkte so gar nicht wie ein alter Mann. Als Acheson ihm die Luftaufnahmen aus Kuba präsentierte, reagierte auch dieser sofort positiv. Die Vereinigten Staaten hätten völlig korrekt gehandelt, versicherte Adenauer dem Amerikaner und Jonas fragte sich, ob all diese Staatsmänner eigentlich wussten, wozu sie da gerade ihren Segen gegeben hatten. Während nämlich die Fernsehansprache den letzten Schliff erhielt, entfaltete das Militär eine beunruhigende Geschäftigkeit. Zahllose Befehle wurden erteilt. Die Marine entsandte einhundertachtzig Schiffe in die Karibik. Große Truppenkontingente wurden nach Florida und in den südöstlichen Teil der Vereinigten Staaten verlegt. Auch der amerikanische Stützpunkt Guantanamo auf Kuba wurde verstärkt. Sollte es zu einer militärischen Aktion kommen, konnte der Präsident über eine Viertelmillion US-Soldaten verfügen. Zweitausend Einsätze gegen verschiedene Ziele in Kuba waren vorbereitet worden und neunzigtausend Marineinfanteristen und Luftlandetruppen standen bereit, um – wie man allen Ernstes glaubte – die Insel im Sturm zu nehmen.
    Jonas zog unwillkürlich die Jacke fester um den Leib, als er diese präzise Auflistung des Grauens mitbekam. In einem vertraulichen Bericht McNamaras wurden die zu erwartenden amerikanischen Verluste auf fünfundzwanzigtausend beziffert. In diesem Augenblick wäre Jonas am liebsten aufgesprungen und hätte in den Spiegel geschrien: »Habt ihr da nicht eine Kleinigkeit vergessen? Sie heißt Issa Plijew, ist Armeegeneral und hat den Finger am Abschussknopf für ein ganzes Bündel Luna-Atomraketen.« Aber Jonas blieb stumm sitzen. Sein Vater lächelte ihm über den Spiegel hinweg zu. Es war ein aufmunterndes Lächeln: Wir bekommen die Sache schon in den Griff, mein Sohn.
    Um die Mittagszeit versetzte das strategische

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