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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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er kann sich wieder in seine Speisekammer verziehen.«
    Während die Greisin und der Rabe sich begrüßten, übersetzte Jonas: »Kraark meint, Krem habe ihm sehr geholfen. Er wolle nun aber nicht länger seine kostbare Zeit in Anspruch nehmen.«
    »Ein wirklich höfliches Tier«, staunte der Älteste Gondik.
    »Na ja, er hat es natürlich in der Rabensprache gesagt«, merkte Jonas an.
    »Das war ja auch unüberhörbar.«
    Belkan nickte Krem dankend zu: Er könne nun gehen.
    Nachdem Kraark seine langjährige Vertraute begrüßt hatte, hüpfte er quer über die Kristallglasplatte zu Jonas.
    »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie erfrischend es ist, siebzig oder achtzig Meilen durch den Abendhimmel zu rauschen!«
    »Da hast du Recht, Kraark. Das kann ich mir wirklich nicht vorstellen. Schön, dass du trotzdem noch gekommen bist.«
    »Ich kann euch doch nicht bei dem Versuch allein lassen die beiden Welten zu retten.«
    »Ich bin dir wirklich dankbar.«
    »Kann es sein, dass du mich nicht ganz ernst nimmst, Jonas?«
    »Jonas«, unterbrach Belkan die leise Unterhaltung, »hat der Rabe noch etwas gesagt, was wir alle wissen sollten?«
    »Nein, nein. Wir haben uns nur begrüßt. Ich bin jetzt auch ganz still.«
    »Vielen Dank. Das ist sehr freundlich von dir, Jonas.«
    Im Weiteren beschäftigte sich der Ältestenrat mit der Koordination des gemeinsamen Vorgehens der Flüsterer. Ermüdend viele Details wurden diskutiert und verworfen, erörtert und beschlossen. Wie sich jedenfalls bald herausstellte, gab es nicht wenige Flüsterer, deren Kontaktpersonen auf der Erde durchaus eine Rolle in dem großen Drama spielen konnten. Einige der Menschen gehörten dem Militär an, andere dem Geheimdienst, wieder andere waren Beamte oder Politiker.
    Robert, Sarah, Ximon, Lischka und Darina wollten weiterhin Keldins Spiegel als Fenster zur Menschenwelt benutzen. Um die Abstimmung mit den übrigen Flüsterern zu erleichtern, wurde beschlossen den bonkasischen Krisenstab in eine kleine Nebenkammer zu verlegen, die nur wenige Schritte von der großen Höhle der Flüsterer entfernt lag.
    »Wie gut, dass wir doch noch rechtzeitig zurückgekehrt sind«, sagte Darina abschließend und ihr Gesicht wirkte dabei ernster als sonst. »Morgen wird vielleicht unser schwerster Tag. Die Flüsterer müssen vereint handeln, als wären sie ein einziger großer Organismus. Und sie müssen schnell reagieren. Ich erwarte viele Nachrichten aus der ganzen Menschenwelt. Einige Menschenkinder könnten in Panik geraten und irgendwo auf der Erde ein Feuer entzünden, das nachher nicht mehr zu löschen ist. Morgen wird der Bär erfahren, dass man ihn bei seiner Pirsch auf den Adler ertappt hat. Was dann geschieht… Ich wünschte, ich könnte es vorhersagen.«
     
     
    Jonas konnte nicht schlafen. Der Rat hatte sich schneller aufgelöst, als nach den ausführlichen Anfangsberichten zu erwarten gewesen war. Die erschöpften Rückkehrer lagen schon bald in ihren Betten. Auch Jonas. Aber schlafen konnte er trotzdem nicht.
    Leise schwang er die Beine aus dem Bett und schlüpfte in seine Hose. Auf dem Flur glommen die merkwürdigen Lichtkugeln nur mit einem Bruchteil ihrer sonstigen Kraft. Jonas schlich sich am Zimmer seiner Eltern vorbei. Vielleicht würde er irgendwo auf eine Küche stoßen, deren Speisekammer sich plündern ließ.
    Die Gänge im Muschelpalast lagen so still, als gäbe es kein anderes Lebewesen außer Jonas. Das matte Licht aus den Kugeln verbreitete auf den Muschelwänden einen unwirklichen Glanz. Immer wieder blieb Jonas stehen – nicht selten mit klopfendem Herzen – und musterte misstrauisch die Wände. Die zahlreichen Bilder, die ein unbekannter Künstler hier aus Muschel- und Schneckengehäusen erschaffen hatte, veränderten sich im Dämmerlicht zu manchmal erschreckenden Motiven. Einmal – Jonas bog gerade in einen Nebengang ab – sah er sich unvermittelt einem Gorrmack gegenüber. Langsam näherte er sich dem Wandbild. Diesmal war es kein täuschendes Spiel der Schatten. Das Muschelmosaik stellte tatsächlich eines dieser gewaltigen Kristallwesen dar.
    Nachdenklich betrachtete Jonas das Bild. Der Gorrmack ließ ihn an Keldins Klippe denken, den zersprungenen Spiegel, an Kanthelm und den Angriff auf Kalvar. War dieses Wesen tatsächlich böse? Es sah aus wie ein Alligator. Na ja, vielleicht ein sehr drachenähnlicher, aber Jonas konnte sich trotzdem nicht vorstellen, dass dieses Geschöpf von derselben Boshaftigkeit angetrieben wurde wie

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