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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Gespenst einer amerikanischen Invasion auf Kuba steckte ihm tief in den Knochen. In den frühen Morgenstunden diktierte er einen Brief an Kennedy, in dem er die Raketen in der Türkei unerwähnt ließ. Als der stellvertretende Außenminister Kusnezow Einwände erhob, sagte er nur müde: »Wir müssen die Invasion verhindern und zu einem späteren Zeitpunkt auf die Raketen in der Türkei zurückkommen. Übermitteln Sie diesen Brief so schnell wie möglich der amerikanischen Botschaft. Und«, dabei sah er den übernächtigten KGB-Chef Alexander Schelepin an, »finden Sie einen Weg, damit sich unser Angebot schon in Washington befindet, bevor noch diese lahmen Amtsschimmel von Mr. Kohler den Brief übersetzt und dem Präsidenten übermittelt haben.«
     
     
    Um die Mittagszeit suchte Lischka nach »Fomin«, dem KGB-Chef in Washington, der unter diesem Decknamen firmierte. Er war nur ein wenig erstaunt, als er Alexander Feklisow, wie Fomin in Wirklichkeit hieß, bei einem Essen mit John Scali fand, dem Korrespondenten des Fernsehsenders ABC beim amerikanischen Außenministerium. Wie Lischka wusste, sahen sich die beiden nicht zum ersten Mal. An diesem Tag saßen sie im Occidental, einem noblen Washingtoner Restaurant, und waren in ein wichtiges Gespräch vertieft. Während die Ober sich um sie bemühten, fragte Scali, warum ihn Fomin so dringend um dieses Essen gebeten habe. Als sie ungestört sprechen konnten, erklärte der KGB-Chef die Hintergründe.
    »Es sieht aus, als würde es Krieg geben.«
    Scali stellte das Glas, aus dem er gerade hatte trinken wollen, wieder auf das makellose Tischtuch zurück.
    »Und warum glauben Sie das?«
    »Lassen Sie uns nicht lange um den heißen Brei herumreden, Mr. Scali. Können Sie einige Ihrer Freunde im State Department kontaktieren?«
    »Freunde?«
    »Ich rede nicht von Sekretärinnen, Mr. Scali, sondern von denen ganz oben.«
    »Und was soll ich Ihrer Meinung nach diesen Freunden sagen? Etwa, dass der sowjetische KGB-Chef von Washington sie um einen Gefallen bittet?«
    »Bitte«, zischte Fomin und sah sich vorsichtig nach allen Seiten um. »Ich bin nur der sowjetische Attache für auswärtige Angelegenheiten.«
    »Entschuldigen Sie, das war mir im Moment entfallen.«
    Fomin funkelte den Journalisten an, fasste sich dann aber wieder und sagte eindringlich: »Fragen Sie Ihre Freunde, ob die Vereinigten Staaten an einer möglichen Lösung der Krise interessiert sind. Wir könnten unter gewissen Umständen bereit sein unsere Basen unter Aufsicht der Vereinten Nationen abzubauen. Castro könnte dazu bewegt werden, die Stationierung offensiver Waffen jedweder Art in seinem Land zu unterbinden, wenn die Vereinigten Staaten dafür im Gegenzug zusichern keine Invasion der Insel anzustreben.«
    Scali sah den KGB-Chef mehrere Sekunden lang verdutzt an. »Ist das wirklich Ihr Ernst?«
    Fomin nickte.
    »Also gut«, sagte der Journalist. »Im State Department gibt es zufällig einen Mann, der sich für Ihr Angebot interessieren könnte. Der Name Roger Hilsman wird Ihnen sicher etwas sagen.«
    »Ich wusste, dass Sie der richtige Mann für diesen Job sind, Mr. Scali.«
    »Keine Schmeicheleien, Fomin. Ich gehe erst, wenn ich meine Muscheln verdrückt habe.«
    Lischka ließ den KGB-Chef und seinen Gesprächspartner in der blauen Tiefe des Spiegels versinken. »Das hat sich gelohnt«, sagte er zufrieden. »Chruschtschow werden also wirklich die Knie weich.«
    »Jetzt müssen wir nur dafür sorgen, dass sein gut gemeinter Vorschlag im Nest des Adlers auch auf die richtigen Ohren trifft. Die Gefahr ist damit noch nicht gebannt. Mich erinnert das Ganze an die Geschichte von den beiden Männern, die sich zum Verhandeln auf einem schwankenden Seil treffen: Macht nur einer eine falsche Bewegung, fallen beide in die Tiefe.«
     
     
    Während John Scali in Washington noch über die unerwarteten Zugeständnisse der Sowjetunion nachdachte, erlitt Nikita Sergejewitsch Chruschtschow seinen nächsten Tobsuchtsanfall.
    Inzwischen war durchgesickert, dass die Nachricht von der bevorstehenden Invasion Kubas nur aus heißer Luft bestand. Ein Oberst hatte aus Kuba gemeldet, dass der amerikanische Geheimdienst diese Information geschickt gestreut hätte. Er habe es als seine Pflicht angesehen, sie sofort weiterzumelden. Und jetzt fühle er sich noch weitaus mehr verpflichtet diese infame Irreführung aufzudecken. Chruschtschow schlug Oberst Wassili Koljow daraufhin für einen Orden vor und genehmigte sich einen

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