Das Echo der Flüsterer
offizielles Abkommen mit einzubeziehen. Bobby dachte kurz darüber nach und bat dann telefonieren zu dürfen. Wenig später betrat er wieder den Raum und teilte dem Botschafter mit: »Der Präsident sagt, dass wir bereit sind die türkische Frage in Erwägung zu ziehen.«
Dobrynin schien hoch zufrieden. »Ich werde den Kreml sogleich darüber informieren.«
Dort, in Moskau, deutete sich inzwischen neues Chaos an. Lischka und Quitu hatten wenige Stunden zuvor aus dem Spiegel ein Besorgnis erregendes Raunen vernommen. Nun erfuhren sie den Grund dafür. Die Malkits hatten Fidel Castro persönlich für einen boshaften Plan eingespannt.
Chruschtschow und seine Berater lasen wiederholt die unglaubliche Nachricht. Castro behauptete darin, die Amerikaner planten eine Invasion. »Was denn, schon wieder?«, brüllte Nikita. Es sei nur noch eine Frage von zwei oder drei Tagen, bis der Angriff erfolgen würde, hieß es in dem Fernschreiben, das seltsamerweise nicht in Spanisch, sondern gleich in Russisch übermittelt worden war.
Offenbar nahm der Kremlführer die Nachricht aus Havanna sehr ernst. Noch in der Nacht gab er die Order aus, dem Feind – damit meinte er die Vereinigten Staaten – keine wichtigen Dokumente in die Hände fallen zu lassen. Wo immer diese Gefahr bestünde, sollten die sowjetischen Beamten alle entsprechenden Papiere vernichten.
Lischka war schon bald auf die wahre Quelle dieser Mitteilung gestoßen, die schnell zu einer Kurzschlussreaktion hätte führen können. Die Malkits hatten Castro weisgemacht, die Invasion stehe nahe bevor. Daraufhin hatte er sich umgehend und persönlich in die sowjetische Botschaft von Havanna begeben. Dort, im Bunker des Gebäudes, hatte er dem Botschafter Aleksander Aleksejew seinen Hilferuf diktiert, während der Diplomat ihn sofort ins Russische übersetzte.
»Wohl nicht ganz zufällig«, berichtete Lischka später, auf die Malkits verweisend, »sind dem Botschafter ein paar kleine Fehler unterlaufen. Castro wollte nur klarstellen, dass die sowjetischen Truppen auf Kuba sich im Falle einer Invasion notfalls auch mit nuklearen Waffen verteidigen müssten.«
Aleksejew übersetzte etwas ganz anderes. Für Chruschtschow las sich das Telegramm wie eine eindeutige Warnung des Genossen Castro: Eine Invasion stünde innerhalb weniger Stunden bevor. Der Ministerpräsident der Sowjetunion solle zum Präventivschlag ausholen; bevor die Vereinigten Staaten angreifen konnten, sollte er seine Atomraketen abschießen.
Dann brachte sich Castro erst richtig in Rage und traf eine folgenschwere Entscheidung: Kuba dürfe sich die Verletzung seines Territoriums durch amerikanische Aufklärer nicht länger bieten lassen, deshalb seien sämtliche Flugzeuge der Amerikaner, die den kubanischen Luftraum verletzten, abzuschießen. Diesmal (offenbar hatten die Malkits sich schon von ihm zurückgezogen) war dem Sowjetbotschafter sofort klar, was das bedeutete. Händeringend bat er Castro seinen Entschluss rückgängig zu machen. Doch das kubanische Staatsoberhaupt wies das Ersuchen Aleksejews schroff zurück. Die Bunkerfreundschaft der beiden Volksgenossen hatte also nicht lange gehalten.
Samstag
27
Oktober
Jonas sah das Kalenderblatt nur ganz kurz. Dann zeigte das Bild im Spiegel den Sicherheitsberater. Der stürzte gerade aus dem Raum.
Auch in dieser Nacht hatte Jonas nicht sehr gut geschlafen. Neue Alpträume hatten ihn gequält. Als er am Morgen einer besonders blassen Darina begegnet war, hatte er etwas zu ahnen begonnen.
»Glaubst du, die Freundschaftssteine haben etwas damit zu tun, dass wir beide so schlecht schlafen?«
Darina sah ihn nachdenklich an. »Das wäre durchaus möglich.«
»Fühlst du denn immer noch diese… Bedrohung?«
Die Wissende nickte ernst. »Es wird stärker und stärker, ich weiß nicht, woher es kommt.«
Danach waren beide schnell zur Flüstererhöhle gegangen.
Als Jonas McGeorge Bundy aus dem Büro laufen sah, hatten Lischka, Ximon und Quitu ihn und Darina schon über die neuesten beunruhigenden Nachrichten in Kenntnis gesetzt. Bis zehn Uhr morgens förderte der Spiegel keine wichtigen Erkenntnisse zu Tage. Dann aber trat das Exekutivkomitee zu einer neuen Sitzung zusammen.
Robert Kennedy zeigte dem Krisenstab ein Memorandum, das er am Morgen von J. Edgar Hoover erhalten hatte. Darin berichtete der FBI-Direktor, in der Nacht Informationen über gewisse sowjetische Beamte in New York erhalten zu haben, die offensichtlich dabei waren,
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