Das Echo der Flüsterer
Backbordseite gab es zwei Sessel und dazwischen einen Tisch, steuerbords nur eine lange Bank, die mit der Rückenlehne an der Kabinenwand stand. Der Gang in der Mitte war ausgesprochen schmal. Die Einzelsitze auf der linken Seite hatte man so angebracht, dass sich die Passagiere über den Tisch hinweg ansehen und miteinander unterhalten konnten. Am Kopfende der Bank befand sich eine kleine Kombüse, im hinteren Bereich der Kabine eine Toilette. Die Versuchung war für Jonas groß gewesen einfach in den winzigen Waschraum zu schlüpfen, aber dort hätte er schnell entdeckt werden können. Dann hatte er den Vorhang des Gepäckabteils gesehen.
Nun, in seinem Versteck, hoffte er inständig, dass der Pilot noch einen letzten Rundgang um die Maschine machen würde oder dass sich sonst wie eine Gelegenheit ergäbe unauffällig zu verschwinden. Jonas ahnte nicht, wie gerne die drei Männer ihm diesen Gefallen getan hätten, wenn sie nur von ihrem blinden Passagier gewusst hätten. Aber so wurden die letzten Startvorbereitungen routinemäßig abgewickelt.
Nachdem Dr. Gould und sein Begleiter in den bequem wirkenden Ledersesseln Platz genommen hatten, setzte sich das Flugzeug fast lautlos in Bewegung. Jonas vermutete, dass der Mechaniker die Maschine mit einem Rangierfahrzeug nach draußen schleppte. Wenig später kehrte Stille ein, die Ruhe vor dem Sturm. Das »hässliche Entlein« stand am Ende der Startbahn, gleich würde es losstürmen. Jonas war vor Schreck wie erstarrt. Schmerzlich wurde er sich bewusst, dass es kein Zurück mehr gab. Natürlich, er hätte noch immer aufstehen und sich zu erkennen geben können. Aber dazu fehlte ihm der Mut.
So harrte er einfach nur der Dinge, die da kamen. Die Motoren wurden angelassen. Leichte Vibrationen ließen das Flugzeug erzittern, ein erwartungsvoller Schauer, bevor es seine ganze Kraft entfalten durfte. Dann schwoll das Geräusch zu einem Dröhnen an, das selbst den Geräuschpegel in Mat Barwinkles Pick-up übertraf. Ein Ruck ging durch den Rumpf. Im nächsten Moment wurde Jonas nach hinten gedrückt.
Der Hochdecker brauchte keinen langen »Anlauf«. Mit schier unbändiger Kraft stürmte er über die Piste und hob schnell vom Boden ab. Jonas kämpfte gegen eine zunehmende Übelkeit an. Er hörte, wie das Fahrwerk einklappte. Die Maschine neigte sich leicht zur Seite. In einem sanften Bogen schwenkte sie auf nordöstlichen Kurs ein.
Als der Steigflug abgeschlossen war, wurde der Lärm in der Kabine erträglicher. Das Dröhnen trat in den Hintergrund, Stimmen waren wieder vernehmbar. Doch sie blieben undeutlich. Vielleicht war es Neugierde, möglicherweise auch der berechtigte Wunsch zu erfahren, mit wem er es wirklich zu tun hatte, jedenfalls beschloss Jonas diesen grauen Anzügen auf den Zahn zu fühlen.
Vorsichtig spähte er am Vorhang vorbei. Die Lehne des in Flugrichtung montierten Sessels versperrte die Sicht nach hinten. Er konnte es also wagen, den Kopf ein wenig weiter vorzustrecken.
Sogleich wurden die Stimmen klarer. Vieles, was die beiden Männer sagten, konnte er nun deutlich verstehen, aber immer wieder gingen auch ganze Satzteile im Brummen der Motoren unter. Er wagte sich noch weiter vor. Auf allen vieren kroch er auf den Gang hinaus. Nun befand er sich auf Höhe der Kabinentür und blickte auf das gelblich braune Leder der breiten Rückenlehne. Nur noch seine Füße befanden sich im Stauraum jenseits des Vorhangs. Endlich konnte er die Unterhaltung der Männer mühelos mitverfolgen.
»Glauben Sie, unser Unternehmen wird Erfolg haben, Sir?«
Diese Stimme kannte er noch nicht. Vermutlich gehörte sie dem bisher akustisch nicht in Erscheinung getretenen Begleiter von Dr. Gould.
Der antwortete mit sonorer Stimme: »Es muss gelingen, Frank!«
»Sie meinen, weil der Präsident uns sonst den Kopf abreißt?«
»Nicht deshalb. Kennedy weiß, dass wir alles Menschenmögliche tun werden, um zu retten, was zu retten ist. Aber die Welt steht vor einem Abgrund, Frank, und wenn wir versagen, dann stürzt sie womöglich hinein.«
Jonas schluckte. Wo war er da nur hineingeraten? Jedenfalls nicht unter gewöhnliche Geschäftsleute, so viel stand fest. Aber auch die Mafiatheorie musste er wohl fallen lassen (was er nicht sonderlich bedauerte). Er konnte kaum glauben, was er da gehört hatte: John F. Kennedy – der bewunderte Präsident der Vereinigten Staaten! – hatte diese beiden Männer losgeschickt, um einen offenbar schwierigen Auftrag zu erfüllen. Waren sie
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