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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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erwähnten Rede auch gesagt, dass die Vereinigten Staaten im Falle des Aufbaus eines offensiven sowjetisch-kubanischen Militärstützpunktes von bedeutsamer Kapazität zum Schutz ihrer eigenen Sicherheit tun würden, ›was immer getan werden muss‹. Wissen Sie, was das bedeutet, Frank? Es ist wohl kein Zufall, dass gerade heute, am Tag unseres Abfluges, der Kongress in seiner Joint Resolution 230 den Standpunkt des Präsidenten bestätigen wird – jedenfalls gehe ich davon aus.«
    »Glauben Sie, Fidel Castro oder sein Bruder werden offenlegen, was sie bisher nur angedeutet haben?«
    »Ich weiß es nicht, Frank. Vielleicht würden sie es sogar gerne tun. Manchmal benehmen die beiden sich wie zwei Halbstarke, die jedem unbedingt ihre neuen Klappmesser zeigen müssen. Aber Chruschtschow ist ein ganz anderes Kaliber. Dieser Russe macht mir wirklich Sorgen. Der gute Nikita Sergejewitsch benimmt sich wie eine Primadonna, er ist schwer berechenbar. In letzter Zeit hat er sich uns gegenüber immer mehr Freiheiten herausgenommen. Denken Sie nur daran, wie er Jack Kennedy auf dem Wiener Gipfel, im Juni letzten Jahres, behandelt hat. ›Ich habe gehört, Sie seien ein junger und viel versprechender Mann‹, soll er den Präsidenten begrüßt haben – als sei Jack noch nicht ganz trocken hinter den Ohren! Und dann – nur zwei Monate später – der Bau der Berliner Mauer. Es gibt sogar Belege dafür, dass Chruschtschow eine Besetzung Westberlins in Erwägung zieht, wenn wir auf Kuba unsere Muskeln spielen lassen.«
    »Vielleicht gelingt es uns ja wirklich, das Schlimmste zu verhindern.« Frank klang nicht sehr überzeugt.
    »Ich schätze, dass wir auf allerlei Überraschungen gefasst sein müssen. Der Präsident hat mich jedenfalls mit allen Vollmachten ausgestattet. Im Übrigen setze ich große Hoffnungen auf unseren britischen Freund. Er ist ein Diplomat von erstem Rang. Bei der Potsdamer Konferenz gehörte er zu Churchills Verhandlungsteam und man sagt, seit dieser Zeit pflege er wertvolle Kontakte zu einigen hochrangigen sowjetischen Politikern und Militärs. In all den Jahren des Kalten Krieges scheinen diese Verbindungen nie ganz abgerissen zu sein.«
    »Kennen Sie seinen Namen?«
    »Nein, ich habe da nur eine Vermutung, Frank, mehr nicht. Wie Sie wissen, war ich damals ebenfalls in Potsdam mit dabei – natürlich in Trumans Mannschaft, versteht sich. Ich bin genauso gespannt wie Sie, wem wir auf den Bermudas die Hand schütteln werden.«
    Der Name der Inselgruppe im Atlantik traf Jonas wie ein Keulenschlag. Ihm war sofort klar, dass seine Suche nach den Eltern eine unverhoffte, ja absolut überraschende Wendung genommen hatte: Er näherte sich geradewegs jener Gegend, in der beide vor über vierzehn Jahren verschwunden waren. Vielleicht hatte dieses Flugzeug schon die Höhe von Melbourne erreicht und bewegte sich bereits über das mysteriöse Meeresgebiet hinweg, das in der ganzen Welt als Bermudadreieck berühmt und berüchtigt war. Völlig verwirrt kroch er in sein Versteck zurück.
    »Still, Frank, haben Sie das gehört?«
    Jonas hielt den Atem an. Bei seinem aufgeregten Rückzug war er gegen einen Pappkarton gestoßen. Dr. Gould musste das dumpfe Geräusch gehört haben. Jonas schloss die Augen. Er begann zu schwitzen, wünschte unsichtbar zu sein.
    »Nein, mir ist nichts aufgefallen«, antwortete Frank.
    Ja, ja!, schrie Jonas (natürlich nur in Gedanken). Es war nur ein Luftloch. Du hast dich verhört, Doktor. Unterhaltet euch weiter!
    »Schauen Sie doch bitte im Stauraum nach, Frank. Möglich, dass ein Gepäckstück verrutscht ist. Bei der Gelegenheit können Sie gleich aus dem obersten Karton das Dossier mitbringen, das für unseren britischen Freund erstellt wurde. Es kann nicht schaden, wenn wir es noch einmal gemeinsam durchgehen.«
    Jonas sah sich verzweifelt um. Aus dem Passagierraum drang nur wenig Licht durch den Vorhang. Der Gepäckraum war in etwa so groß wie die Toilettenverschläge in der Schule, nur wesentlich niedriger. Jonas erkannte, dass er verloren war.
    Als Frank Holloway den Vorhang zum Gepäckabteil zur Seite schob, kamen ihm Dr. Goulds Worte wieder in den Sinn, sie müssten »auf allerlei Überraschungen gefasst sein«. Mit einem kreidebleichen Jungen zwischen den Geheimunterlagen hatte er allerdings nicht gerechnet.
    »Wer bist du denn?«
    Jonas blickte mit großen Augen in ein sommersprossiges Gesicht. Franks ganze Erscheinung passte hervorragend zu dem Klischee eines Beamten, der nur

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