Das Echo der Flüsterer
zu verunsichern, antwortete er: »Vielleicht kann ich noch mehr, als nur das Licht formen. Möglicherweise bin ich auch Teil deiner selbst. Versuch mich zu töten und du wirst sehen, was dann mit dir geschieht.«
Für einen Moment huschte ein Ausdruck der Unsicherheit über Kanthelms Gesicht, doch dann wurde sein unversehrtes Auge hart. Mit einer pfeilschnellen Bewegung brachte der Malkit ein blitzendes Rohr zum Vorschein und richtete dessen Ende auf Jonas.
»Ich kann ja damit anfangen, deinen rechten Arm zu versengen«, schlug Kanthelm mit boshaftem Grinsen vor und sein Finger näherte sich dem Auslöseknopf der Lichtwaffe. »Der meine ist seit drei Wochen kalt wie ein Eiszapfen. Ein bisschen Wärme könnte nicht schaden.«
Jonas’ Herz setzte einen Schlag aus. Hatte Kanthelm ihn durchschaut? Eher unbewusst tat der Junge genau das Richtige. Die Erinnerung des unversehrten Kanthelm verschwamm in seinem Geist, an ihre Stelle trat das Bild des jetzigen, verunstalteten Malkits.
Kanthelm keuchte vor Schreck. Hatte diese furchtbare Erscheinung etwa doch Recht gehabt? War sie ein Spiegelbild seiner selbst, das auch ihn zerstören würde, wenn er es mit seinem Lichtspeer durchbohrte? Sein Zögern rettete Jonas das Leben.
Unvermittelt verdoppelte sich das Bild des falschen Kanthelm vor den Augen des echten. Aus einem wurden zwei, und gleich darauf waren es schon vier, acht, sechzehn… Innerhalb weniger Augenblicke standen zweiunddreißig Malkits im Halbkreis um das Himmelbett und alle sahen aus wie der Herrscher des Grauen Palastes. Als sich die Spiegelbilder zu bewegen begannen, drückte Kanthelm ab.
Ein roter, hässlich zischender Lichtspeer schoss mitten durch den Bauch des sechzehnten Doppelgängers. Dessen Augen weiteten sich vor Schreck. Und mit einem Mal – als hätte jemand mit dem Schwamm ein Bild von oben nach unten weggewischt, nur um dadurch ein anderes zum Vorschein zu bringen – erschien die Gestalt von Jonas McKenelley vor Kanthelm.
»Du!«, schrie der Malkit außer sich. Zu seinem Ärger brach der durchlöcherte Kontrahent nicht zusammen, sondern erholte sich schon wieder von dem Schrecken des Angriffs. Am Leib des Jungen gab es nicht den geringsten Brandfleck. Dafür erklang von irgendwo das Knistern von Flammen. Aber Kanthelm konnte kein Feuer sehen.
Wutschnaubend richtete er die Lichtwaffe auf den am weitesten links von ihm stehenden Doppelgänger und drückte den Auslöser. Erneut schoss ein roter Lichtstrahl aus der silberglänzenden Waffe.
Kanthelms Arm beschrieb einen Bogen – jetzt war er der Sensenmann. Eines der Trugbilder war echt. Er würde es niedermähen wie eine reife Ähre.
Noch bevor er den Halbkreis vollenden konnte, tauchte links neben ihm ein dunkler Schemen auf. Kanthelms unversehrtes rechtes Auge nahm den unscharfen Schatten zu spät wahr, um noch rechtzeitig reagieren zu können. Gerade wollte der Malkit herumfahren und seine Waffe auf den Angreifer richten, als ihm diese mit einem Ruck aus der Hand gerissen wurde. Im nächsten Moment wirbelte das Rohr durch die Luft und landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem Schädel des Narbengesichts. Das intakte Auge blickte noch einmal ungläubig auf Bergalfs Gestalt, die aus dem Schemen auftauchte, dann drehte es sich nach oben weg, bis nur noch Weiß zu sehen war. Kanthelm kippte wie ein nasser Sack nach hinten, riss den Vorhang mit, an dem er sich fest gehalten hatte, und landete federnd auf dem weichen Himmelbett.
»Manche Leute wollen einfach nie auf ihre Annehmlichkeiten verzichten«, sagte Bergalf, während er verächtlich auf den leblosen Mann im Bett herabblickte.
Jonas sah den Freund entsetzt an. »Ist er…?«
»Tot?« Bergalf schüttelte den Kopf. »Ich habe zwar schon so manches wilde Tier bezwungen, aber wir Bonkas sind keine Mörder. Dieser Mann da wird an seinem eigenen Blutdurst ersticken.« Dabei deutete der Fährtensucher auf die brennenden Wände und Vorhänge im hinteren Teil des großen Schlafzimmers. Kanthelms Lichtwaffe hatte die von Bergalf erschaffenen Trugbilder durchdrungen und den Raum in Brand gesteckt.
Der Gedanke, Kanthelm lebendigen Leibes verbrennen zu lassen, war Jonas zuwider. »Wir müssen ihn hier rausschaffen«, stieß er hervor.
Darina, die inzwischen mit Keldins Spiegel im Arm in den Raum getreten war, schüttelte traurig den Kopf. »Dazu haben wir keine Zeit mehr, Jonas. Wie sagte doch in eurer Welt ein weiser Mann? ›Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert
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