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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Flüsterer. Die aber befindet sich siebzig Meilen nördlich des Gebiets, das in die Spiegelregion führt.«
    »So weit!« Jonas hatte die Höhle ganz in der Nähe vermutet, wohl weil die Strecke, die er zwei Tage zuvor zurückgelegt hatte, höchstens zehn oder zwölf Meilen lang gewesen war.
    Die Kiesstraße außerhalb Laomars verwandelte sich bald in einen Weg aus festgestampfter Erde, der sich zwischen den grasbewachsenen Hügeln hindurchschlängelte. Bergalfs Mundwerk hatte eine Pause eingelegt und so hing jeder in der Gruppe eine Weile seinen eigenen Gedanken nach. Selbst Kraark saß wie ausgestopft vor dem Sattel seines neuen Freundes, den Schnabel im Wind, und genoss mit sichtlicher Zufriedenheit diese Art der mühelosen Fortbewegung.
    Jonas grübelte unentwegt über den vergangenen Abend nach. Er fragte sich immer wieder, was Darina wohl gemeint hatte, als sie sagte, der Adler treibe »ein gefährliches und doppelzüngiges Spiel«. Dachte sie dabei an die Vereinigten Staaten als Ganzes oder vielmehr an den Mann, der das mächtigste Land der Erde regierte: den Präsidenten John F. Kennedy?
    Jonas hatte sich nie sonderlich für Politik interessiert. Aber JFK – die Anfangsbuchstaben von Kennedys Namen hatten längst den Status eines Markenzeichens erlangt – war ihm durchaus sympathisch. Mit seinen fünfundvierzig Jahren und dem jungenhaften Lächeln machte der amtierende Präsident allemal einen lebendigeren Eindruck als dieser verstaubte General Eisenhower. In der Öffentlichkeit präsentierte sich Kennedy als dynamischer, sportlicher Mann, der weltoffen, warmherzig und unvoreingenommen war. Er und seine Frau Jackie hatten frischen Wind in das Weiße Haus gebracht. Nicht wenige sprachen vom neuen Camelot, in Anspielung auf König Artus’ Schloss. Und die Mannschaft, die der fünfunddreißigste Präsident der Vereinigten Staaten um sich geschart hatte, wurde gerne als Artus’ Tafelrunde bezeichnet. Immerhin war es eine Tatsache, dass Kennedy weniger auf hochdekorierte Veteranen des Beamtenapparats als vielmehr auf kluge Köpfe jeden Alters setzte, auf Männer, die seinen »Aufbruch zu neuen Ufern« mit den nötigen Ideen zu unterstützen in der Lage waren. Er schätzte Leute, von denen er noch etwas lernen konnte. Ein solcher Präsident würde bestimmt alles tun, um das Wohl der Menschen in seinem Land zu bewahren. Konnte Darina wirklich ihn gemeint haben, als sie von Doppelzüngigkeit sprach?
    Noch während Jonas’ Gedanken um diese und andere Fragen kreisten, erreichte die Karawane eine kleine Mulde. Sie unterschied sich allein durch ihre etwas größere Tiefe von den anderen Senken, die zwischen den Hügeln der Umgebung lagen.
    Goldans Stimme beendete das allgemeine Schweigen. »Dort ist die Facette.« Er deutete mit dem ausgestreckten Arm auf die Senke.
    »Ich kann nichts erkennen«, sagte Sam Chalk, nachdem er die grasbewachsene Stelle ausgiebig studiert hatte. »Was soll es uns bringen, wenn wir den Weg verlassen und…«
    Weiter kam er nicht. Vor seinen Augen verschwanden die beiden Schelpins von Mangaar und Lischka, als wären sie in einen unsichtbaren Wasserfall getreten: Erst lösten sich die Schnauzen der Tiere auf, dann ihre Reiter und zuletzt die Schwänze.
    »Was…?«
    »Reite einfach weiter«, sagte Jonas zu dem sprachlosen Piloten. »Es tut überhaupt nicht weh.« Der Rabe kommentierte seine Aufforderung mit einem aufmunternden Krächzen.
    Sekunden später stand der ganze Tross vor den Hängenden Bergen. Während sich Sam Chalk noch von der gewöhnungsbedürftigen Erfahrung des »Facettensprungs« erholte, diskutierten Darina, Goldan und Bergalf schon über die nächste Etappe der Reise.
    »Wenn wir die Grenze zur Spiegelregion überschritten haben, ist Geschwindigkeit unser größter Schutz«, betonte der Wächter von Laomar.
    »Wobei wir bei allem Tempo nicht unvorsichtig werden dürfen«, merkte Bergalf an.
    »Keiner von uns möchte sich gerne im Innern irgendeiner wilden Kreatur wieder finden«, sagte Darina. »Deshalb hat Belkan dich ausgewählt, Bergalf. Dein Sinnstein wird uns helfen die Gefahr rechtzeitig zu erkennen.«
    »Ich hoffe nur, du machst mir dabei keinen Strich durch die Rechnung.«
    »Ich?«, fragte Darina erstaunt, begann dann aber zu lächeln.
    Bergalfs Hand verschwand im Ausschnitt seiner dunkelgrünen Tunika und kehrte mit einem Kettenanhänger zurück, dessen Form an einen flachen runden Flusskiesel erinnerte. Der Sinnstein leuchtete in einer silbernen Fassung wie

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