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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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schnell und kann dir höchstens noch in die Zehen beißen.« Damit hatte sich der schwarzhaarige Bonka als der Spaßvogel der Gemeinschaft eingeführt.
    Jonas hatte in Wirklichkeit nicht die geringste Mühe sein außergewöhnliches Reittier zu besteigen. Erstaunt stellte er fest, wie bequem der breite Rücken dieser wolligen Tiere war. Die Schelpins besaßen das Fell wilder Schafe, aber die Schnauze und das Gebiss von Wölfen. Aus dem Schädel wuchs ein Paar spitzer Hörner, etwa zehn bis fünfzehn Zoll lang. Die Schweife der Schelpins glichen wiederum denen von Wölfen oder großen Hunden, jedoch mit der dichten Behaarung, wie sie bei Schafen vorkommt.
    Kaum hatte es sich Jonas auf seinem Schelpin bequem gemacht, als er auch schon Besuch bekam: Kraark flatterte herbei und ließ sich vor dem Sattel des Jungen nieder. Er krallte sich im dichten Fell fest – das Schelpin hatte offenbar nichts dagegen – und schien recht zufrieden mit seiner »Position«.
    Sam Chalk brauchte drei Anläufe, um sein Reittier zu erobern. Es handelte sich dabei um einen außergewöhnlich starken Bock, der sich recht eigensinnig benahm. Immer dann, wenn Sam sein Bein hob, um den Rücken des Tieres zu erklimmen, wich dieses zur Seite aus. Erst als er dem Vorschlag Bergalfs folgte und sein Tier in einer plötzlichen Attacke von hinten her erklomm, konnte er sich »festsetzen«.
    »Es war sehr schwer, ein Schelpin zu finden, das dich zu tragen imstande ist, Sam Chalk. Da konnten wir auf seinen Charakter wenig Rücksicht nehmen«, entschuldigte sich Goldan.
    Der Pilot der Wild Goose wirkte auf dem stämmigen Tier trotzdem wie ein Gardegrenadier auf einem Packesel. »Ich werde mir den Burschen schon zurechtbiegen«, bemerkte Sam mit einem grimmigen Lächeln.
    Der Abschied fiel sehr kurz aus, da Darina auf einen raschen Aufbruch drängte. Am Abend zuvor hatte sie mehrmals betont, dass Keldins Spiegel unbedingt gefunden werden müsse, bevor die Abschussrampen auf der Moskitoinsel fertig gestellt seien. Der Adler treibe ein gefährliches und doppelzüngiges Spiel, sagte sie, ohne dass Jonas völlig verstanden hätte, was sie damit meinte. Doch er glaubte diesem bemerkenswerten Mädchen. Wahrscheinlich wusste sie allein, wie ernst die Lage wirklich war. Verständlich also, wenn sie keine Zeit verlieren wollte.
    Der ganze Rat war angetreten, um das Expeditionsteam im Schnellverfahren zu verabschieden. Syrda tätschelte noch einmal Darinas Hand.
    »Gib auf dich Acht, Kind. Ich sage das nicht nur, weil ich dich ins Herz geschlossen habe.« Flüsternd fügte sie hinzu: »Immerhin könntest du einmal meinen Sitz im Kristallrat einnehmen.« Für alle hörbar fuhr sie dann fort: »Du bist zu kostbar für uns, als dass wir dich verlieren dürften.«
    Darina versicherte der Alten, wie wenig sie beabsichtige ihr Leben leichtfertig aufs Spiel zu setzen, und am Wohl ihrer Begleiter liege ihr mindestens ebenso viel. Dann setzte sich die Karawane in Bewegung.
    Natürlich hatte sich die Nachricht vom Erscheinen der zwei Wanderer und vom Erwachen der Wissenden in Laomar inzwischen wie ein Lauffeuer verbreitet. Dementsprechend begeistert wurden die Spiegelsucher von den Bewohnern der Farbenstadt verabschiedet.
    Das Rufen, Winken und Schwenken farbenfroher Tücher begann am Muschelpalast und wollte auch am Ortsrand, beim Haus von Goldans Familie, noch immer nicht abreißen. Rinka, die Frau des Wächters, tränkte ein umfangreiches Taschentuch mit ihren Tränen und Tomika, Goldans Töchterchen, winkte mit nicht zu erschütterndem Ernst. Dem Wächter der Farbenstadt fiel der Abschied von den Seinen sichtlich schwer. Als er sich endlich losreißen konnte, musste er dem Suchteam hinterhereilen, das bereits ein gutes Stück die Straße hinabgeritten war.
    Die Bevölkerung hatte sich bald verlaufen und die dadurch entstandene Ruhe wurde nun von Bergalf ausgefüllt, der nach Kräften dafür sorgte, dass die Stimmung nicht sank. Zuerst pfiff er ein fröhliches Lied und dann begann er eine Geschichte aus seinem Waldläuferleben zu erzählen, deren Wahrheitsgehalt Jonas, gelinde gesagt, äußerst niedrig einstufte.
    »Müssen wir den ganzen Weg bis zu den Hängenden Bergen reiten?«, erkundigte sich Jonas nach einer Weile bei Goldan.
    »Nein. Es gibt hier ganz in der Nähe eine Facette. Sie wird uns schnell an den Rand der Spiegelregion bringen.«
    »Warum benützen wir nicht das Tor am Hafen von Laomar?«
    »Die Facette am Strand ist der kürzeste Weg zur Höhle der

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