Das Echo der Schuld
Er erhob sich. »Herr Pfarrer! Wie schön, dass Sie uns besuchen. Setzen Sie sich bitte.«
Ken nahm Platz, und Margaret brachte eine weitere Tasse und schenkte ihm Tee ein.
»Vor allen Dingen möchte ich mit Julia sprechen«, sagte Ken, »aber zuvor eine Frage an Sie: Hat Julia vor dem Kindergottesdienst in der letzten Woche etwas von einem geplanten Diavortrag erwähnt? Den ein Pfarrer aus London halten sollte?«
Margaret und Steve sahen, ihn verwirrt an. »Nein. Sie hat nichts dergleichen erwähnt.«
»Ich möchte mich nicht in die Arbeit der Polizei einmischen«, sagte Ken, »oder auf dilettantische Art Detektiv spielen. Aber ich wurde stutzig. Ich war heute früh bei Rachels Mutter.« Kurz berichtete er, was Claire erzählt hatte. »Heute am frühen Nachmittag erreichte ich endlich Donald Asher. Es hätte ja sein können, dass er irgendetwas geplant, mir aber nichts erzählt hatte, obwohl das sehr ungewöhnlich gewesen wäre. Tatsächlich war aber auch Don nichts von einem Diavortrag bekannt. Er hat keine Ahnung, was Rachel gemeint haben könnte. Und nun denke ich …«
»Ja?«, fragte Steve mit gespannter Aufmerksamkeit.
»Vielleicht ist das ganz dumm. Aber es könnte doch sein, dass es da einen Zusammenhang gibt. Zwischen Rachels Verschwinden und ihrer Ermordung und diesem eigenartigen … Gerede von einem ominösen Pfarrer aus London, den weder Asher noch ich kennen.«
»In der Tat ist das seltsam«, stimmte Steve zu.
»Ich hole Julia«, sagte Margaret.
Julia kam aus ihrem Zimmer herunter. Sie sah blass aus und nicht mehr so fröhlich wie noch eine Woche zuvor. Ihre beste Freundin war tot und würde nie mehr wiederkommen. Ken Jordan hatte den Eindruck, dass Julia fast noch unter Schock stand.
»Der Pfarrer möchte dich sprechen, Julia«, sagte Margaret.
Sie starrte ihn aus großen Kinderaugen an. Er fragte sich plötzlich, was diese Geschichte aus ihr und ihrem Leben machen würde.
Er lächelte sie an. »Nur eine kurze Frage, Julia. Dann kannst du gleich wieder nach oben zum Spielen gehen.«
»Ich spiele nicht«, korrigierte ihn Julia.
»Nein?«
»Nein. Ich denke an Rachel.«
»Du hast Rachel sehr lieb gehabt, nicht?«
Julia nickte heftig. »Sie war meine beste Freundin.«
»Die beiden waren ja fast wie Schwestern«, meinte Margaret.
»Wie Schwestern …«, sagte Ken. »Dann habt ihr einander alles anvertraut, stimmt's? Ich wette, du wusstest alles über Rachel. Vielleicht sogar mehr als Rachels Mum und ihr Dad?«
»Ja«, sagte Julia.
»Dann hat Rachel dir bestimmt auch von dem Diavortrag erzählt? Den ein Pfarrer aus London bei euch im Kindergottesdienst halten wollte?«
Julias Augen weiteten sich. Ein Flackern huschte durch ihren Blick.
Volltreffer, dachte Ken.
»Sie hat dir davon erzählt?«, hakte er nach.
Julia schwieg. Sie starrte auf ihre Fußspitzen.
»Julia, wenn du etwas weißt, musst du es sagen«, mahnte Steve, »das ist sehr wichtig.«
»Donald Asher weiß nichts von solch einem Vortrag«, fuhr Ken fort, »und das bedeutet, dass Rachel es von irgendjemand anderem gehört haben muss. Jemand hat ihr davon erzählt. Weißt du, wer das war?«
Julia schüttelte heftig den Kopf.
»Aber du weißt, dass ihr jemand davon erzählt hat?«
Julia nickte. Immer noch sah sie keinen der Erwachsenen an.
»Bitte, Julia, sag uns, was los ist«, bat Margaret, »vielleicht hilft es, den Menschen zu finden, der Rachel … der Rachel etwas so Schlimmes angetan hat.«
Mit kaum hörbarer Piepsstimme sagte Julia: »Ich habe Rachel versprochen …«
»Was?«, fragte Ken behutsam. »Was hast du Rachel versprochen? Mit niemandem über den Pfarrer aus London zu sprechen?«
Wieder ein Nicken.
»Aber weißt du, ich bin sicher, dass Rachel nun nichts mehr dagegen hat, wenn du dein Versprechen brichst. Vielleicht ist jemand sehr böse zu ihr gewesen. Hat sie gequält. Jemand, dem sie vertraut hat. Sie würde wollen, dass dieser Mensch bestraft wird.«
»Julia, du musst sagen, was du weißt«, sagte Steve, »du bist ein großes Mädchen, und du verstehst, dass das wichtig ist. Nicht wahr?«
Julia nickte erneut. Es hatte nicht den Anschein, als verstehe sie die Bedeutung, die die Erwachsenen ihrer Aussage zuschrieben, aber sie begriff das besorgte Drängen, und es hatte beruhigend geklungen zu hören, dass Rachel nichts dagegen hätte, wenn sie ihr Schweigegelübde brach.
»Der … der Mann hat Rachel gesagt, dass er uns Bilder zeigt. Diabilder. Über die Kinder in Indien.«
Alle hielten den
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