Das Echo der Traeume
Schnapsdrossel gewesen?«
» Im Nacional?«, fragte ich ungläubig.
» Genau. Es kam mich dreimal so teuer zu stehen wie die heiße Schokolade mit Sahne im La Campana, weil sich die widerliche alte Hexe den Bauch mit Tee und englischem Kuchen vollgeschlagen hat, aber die Investition hat sich gelohnt.«
» Du hast ihn also gesehen?«
» Und mit ihm gesprochen. Er hat mir sogar Feuer gegeben.«
» Du bist ganz schön dreist«, bemerkte ich und konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. » Und, wie findest du ihn?«
» Ein echter Leckerbissen, wenn man sich seine Verletzungen wegdenkt. Abgesehen vom Hinken und der verschrammten Gesichtshälfte sieht er recht manierlich aus. Und er scheint von Kopf bis Fuß ein Gentleman zu sein.«
» Meinst du, ich kann ihm trauen, Félix?«, hakte ich besorgt nach. Obwohl Logan mich genau darum gebeten hatte, war ich mir einfach nicht sicher, ob das wirklich ratsam war. Die Antwort meines Nachbarn war ein schallendes Gelächter.
» Ich denke nein, aber das kann dir doch egal sein. Dein neuer Freund ist einfach nur ein Journalist auf der Durchreise, der einen Tauschhandel mit der Frau laufen hat, unter deren Pantoffel der Hochkommissar steht. Also, in Anbetracht dieser Tatsache, und wenn er das Land nicht in einem schlimmeren Zustand verlassen will als bei seiner Ankunft, sollte er sich wohl besser gut mit dir stellen.«
Das Gespräch mit Félix erlaubte mir, die Dinge nun in einem anderen Licht zu sehen. Das katastrophale Ende meiner Geschichte mit Ramiro hatte mich misstrauisch und argwöhnisch werden lassen, doch zwischen Marcus Logan und mir ging es nicht um Loyalität, sondern schlicht und ergreifend um einen Tauschhandel. Wenn Sie mir dies geben, gebe ich Ihnen das, ansonsten kommen wir nicht ins Geschäft. So waren die Regeln. Ich musste mich nicht ständig damit beschäftigen, ob und wie weit man sich auf ihn verlassen konnte. Ihm war vor allem an einer guten Beziehung zum Hochkommissar gelegen, sodass es gar keinen Grund gab, mich zu hintergehen.
In derselben Nacht setzte Félix mich auch darüber ins Bild, wer Serrano Suñer eigentlich war. Oft war im Radio von ihm die Rede, und ich kannte seinen Namen aus der Zeitung, doch ich wusste rein gar nichts über die Person, die sich dahinter verbarg. Wie schon so oft lieferte Félix mir einen ausführlichen Bericht.
» Wie du vermutlich schon weißt, meine Liebe, ist Serrano Suñer Francos Schwager. Er ist mit Zita, der jüngeren Schwester von Carmen Polo, verheiratet, einer deutlich jüngeren, attraktiveren und weniger hochnäsigen Frau als die Angetraute des Caudillo, was man auf Fotos im Übrigen unschwer erkennen kann. Wie man so hört, ist er ein furchtbar kluger Kopf, dessen intellektuelle Fähigkeiten die des generalísimo bei Weitem übersteigen, was dieser, allem Anschein nach, überhaupt nicht amüsant findet. Vor dem Krieg war Serrano Suñer Jurist im höheren Staatsdienst und Abgeordneter von Zaragoza.«
» Für die Rechtspartei?«
» Selbstverständlich. Der Aufstand hielt ihn in Madrid fest. Dort verhaftete man ihn wegen seiner politischen Gesinnung und steckte ihn ins Gefängnis. Schließlich gelang es Serrano Suñer, ins Hospital verlegt zu werden, er leidet an einem Magengeschwür oder so. Man erzählt sich, dass ihm dank der Hilfe von Doktor Marañón die Flucht als Frau verkleidet gelang, mit Perücke, Hut und hochgekrempelten Hosen unter dem langen Mantel.«
Wir mussten beide lachen, als wir uns das bildlich vorstellten.
» Anschließend floh er von Madrid – diesmal als argentinischer Seemann verkleidet – bis nach Alicante, von wo er die Halbinsel auf einem Torpedoboot verließ.«
» Und Spanien den Rücken kehrte?«, fragte ich.
» Nein. Er ging in Frankreich von Bord und kehrte über Land in die nationale Zone zurück, gemeinsam mit seiner Ehefrau und der Kinderschar. Von Irún aus schafften sie es bis nach Salamanca, wo die Nationalisten ursprünglich ihr Hauptquartier hatten.«
» Das dürfte doch für sie ein Leichtes gewesen sein, immerhin gehören sie zur Familie Franco.«
Er grinste hämisch.
» Wo denkst du hin, meine Liebe? Man erzählt sich, dass der Caudillo keinen Finger für sie krumm gemacht hat. Er hätte seinen Schwager im Austausch herausholen können, was zwischen zwei verfeindeten Lagern ja durchaus üblich ist, aber das hat er nicht getan. Und als sie sich schließlich bis nach Salamanca durchgeschlagen hatten, war der Empfang allem Anschein nach nicht gerade
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