Das Echo der Traeume
in vielen anderen Fällen jedoch war es purer Unsinn, was er vorschlug.
» Dieser wundervolle Samt, sagst du, ist für das Kleid der Frau des Gerichtspräsidenten? Mach dem Kleid ein Loch am Hintern, mal sehen, ob sie dann jemandem auffällt. Die reinste Verschwendung für die hässliche Schabracke!«, ereiferte er sich und strich dabei mit den Fingern über die einzelnen Teile, die an der Schneiderpuppe befestigt waren.
» Finger weg!«, warnte ich ihn energisch, während ich von meiner Steppnaht nicht einmal aufschaute.
» Entschuldige, Kleine, aber dieser Stoff glänzt einfach sagenhaft …«
» Ebendarum, sei bloß vorsichtig und hinterlass keine Fingerabdrücke. Komm zur Sache, Félix. Erzähl, was hast du heute so gehört?«
Der Besuch von Serrano Suñer war in jenen Tagen Stadtgespräch. In jedem Geschäft, jedem Tabakladen, jedem Friseursalon, in jeder Arztpraxis, in jedem Café und bei jedem Grüppchen auf dem Bürgersteig, an jedem Marktstand und nach dem Kirchgang wurde über nichts anderes geredet. Ich dagegen war so beschäftigt, dass ich nicht einmal auf die Straße kam. Aber dafür hatte ich ja schließlich meinen Nachbarn.
» Dieses Ereignis wird sich niemand entgehen lassen, aus jedem Haus werden die besten Vertreter entsandt, um dem cuñadísimo einen schönen Empfang zu bereiten. Es kommen der Kalif mit seinem ganzen Gefolge, der Großwesir und die gesamte Regierung. Alle Würdenträger der spanischen Verwaltung, hoch dekorierte Militärs, Professoren und hohe Beamte, die Vertreter der politischen Parteien Marokkos und die israelitische Gemeinschaft, das gesamte konsularische Korps, die Bankdirektoren, die mittleren Beamten, die sich besonders wichtig tun, einflussreiche Unternehmer, die Ärzte, alle Spanier, hochrangige Marokkaner und Juden und natürlich der eine oder andere Zugereiste so wie du, kleine Schlawinerin, die sich am Arm des hinkenden Schreiberlings da hineinschmuggeln wird.«
Dennoch hatte Rosalinda mich darauf hingewiesen, dass das Fest nicht allzu pompös ausfallen würde. Beigbeder wollte zwar den Gast mit allen Ehren würdigen, aber darüber nicht vergessen, dass Krieg herrschte. Daher würde es keine großspurigen Aufmärsche, keinen Ball und keine Musik außer dem Orchester des Kalifen geben. Trotz der verordneten Zurückhaltung würde es jedoch der aufwendigste Empfang von allen sein, die das Hochkommissariat je gegeben hatte. Und so war es nicht weiter verwunderlich, dass die Hauptstadt des Protektorats sich in Aufruhr befand.
Félix instruierte mich auch in einigen protokollarischen Fragen. Ich erfuhr nie, woher er sein Wissen hatte, denn sein familiärer Hintergrund war ähnlich bescheiden und sein Freundeskreis genauso spärlich wie meiner. Sein Leben bestand aus der Arbeit im Versorgungsamt, seiner Mutter und seinen Nöten, den sporadischen nächtlichen Besuchen in irgendwelchen heruntergekommenen Spelunken und seinen Erinnerungen an irgendeine Reise nach Tanger vor dem Krieg, das war schon alles. In seinem ganzen Leben hatte er noch keinen Fuß auf spanischen Boden gesetzt. Doch er liebte das Kino, kannte alle amerikanischen Filme in- und auswendig und verschlang mit Begeisterung ausländische Zeitschriften, war ein Beobachter ohne jeden Funken Anstand und der neugierigste Mensch, den ich kannte. Außerdem schlau wie ein Fuchs. Und so kostete es ihn nicht die geringste Mühe, mir alles Nötige beizubringen, damit ich mich in einen eleganten Gast mit makellosem Stammbaum verwandelte.
Manche seiner Ratschläge waren eindeutig überflüssig. In meiner gemeinsamen Zeit mit dem unseligen Ramiro hatte ich Menschen verschiedenster Herkunft und Stellung kennengelernt und beobachtet. Gemeinsam hatten wir an zig Festen teilgenommen und unzählige Lokale und gute Restaurants sowohl in Madrid als auch in Tanger besucht. Daher verfügte ich über eine gewisse Routine, um mich bei gesellschaftlichen Anlässen ganz ungezwungen zu verhalten. Dessen ungeachtet hielt Félix es für angebracht, bei meiner Unterweisung mit den elementarsten Dingen zu beginnen.
» Sprich nicht mit vollem Mund, mach beim Essen keine Geräusche, und putz dir den Mund nicht am Ärmel ab. Steck dir die Gabel nicht zu tief in den Rachen, trink dein Glas nicht in einem Zug leer, und wink nicht nach dem Kellner, damit er es dir nachfüllt. Sag immer › bitte‹ und › danke‹, aber schön leise und nicht zu übertrieben. Und denk daran, wenn man dir jemanden vorstellt, antwortest du einfach › sehr
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