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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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wohl mit den Briefen machen würden. Ganz mit diesen Überlegungen beschäftigt, achtete ich überhaupt nicht darauf, ob mir jemand folgte. Im Übrigen war ich so sehr mit meinen eigenen Sorgen beschäftigt, dass ich es sowieso nicht gemerkt hätte.
    Im Salon deponierte ich die Botschaften im Spind, ohne dass das Mädchen mit den lockigen Haaren, das sich um die Garderobe kümmerte, auch nur andeutungsweise erkennen ließ, ob sie Bescheid wusste, als unsere Blicke sich trafen. Entweder war sie eine gerissene Geheimdienstmitarbeiterin oder sie hatte keine Ahnung, was vor ihren Augen vor sich ging. Die Friseurin bediente mich ebenso zuvorkommend wie in jeder Woche, und während sie mein Haar, das schon über die Schultern reichte, in Wellen legte, tat ich so, als wäre ich ganz in die aktuelle Ausgabe einer monatlich erscheinenden Frauenzeitschrift vertieft. Mich interessierte dieses Blatt mit seinen Anzeigen für Schönheitsmittelchen, den schmalzigen, moralingetränkten Geschichten und einer umfassenden Reportage über gotische Kathedralen zwar herzlich wenig, aber ich las es von vorne bis hinten durch, ohne auch nur einmal den Blick zu heben, um jeden Kontakt zu anderen Besucherinnen des Salons zu vermeiden, deren Gespräche mich noch weniger interessierten. Sofern ich hier nicht zufällig einer meiner Kundinnen begegnete – was relativ häufig vorkam –, hatte ich nicht das geringste Bedürfnis nach einer Unterhaltung.
    Ich verließ den Salon Rosa Zavala ohne die zusammengerollten Botschaften, aber mit vollendet onduliertem Haar und in unverändert trüber Stimmung. Ich entschloss mich zu einem Spaziergang, statt direkt nach Hause zu gehen, obwohl das Wetter noch immer unfreundlich war. Bis von Hillgarth eine Nachricht kam, was ich mit Beigbeders Briefen tun sollte, wollte ich mich lieber ein wenig ablenken, um nicht mehr daran denken zu müssen. Ich ging ohne bestimmtes Ziel die Calle Alcalá hinauf bis zur Gran Vía. Anfangs war der Spaziergang sehr angenehm, doch nach einiger Zeit fiel mir auf, dass das Gedränge auf den Bürgersteigen immer schlimmer wurde, unter gepflegt wirkende Spaziergänger mischten sich Schuhputzer, Zigarettenkippensammler und Bettler, die in der Hoffnung auf eine milde Gabe ohne jede Scham ihre verkrüppelten Gliedmaßen vorzeigten. Da wurde mir bewusst, dass ich im Begriff war, die Grenzen des mir von Hillgarth vorgegebenen Bereichs zu überschreiten, dass ich mich auf gefährliches Terrain begab und damit rechnen musste, dass mir zufällig jemand begegnete, den ich von früher kannte. Wahrscheinlich hätte niemand in der Frau im eleganten grauen Wollmantel die kleine Näherin vermutet, die ich vor Jahren gewesen war, aber ich beschloss, die restlichen Stunden des Nachmittags lieber im Kino totzuschlagen, um mich keinem größeren Risiko als unbedingt notwendig auszusetzen.
    Das nächste Kino befand sich im Palacio de la Música, und es lief der Film Rebecca. Die Vorführung hatte bereits begonnen, aber das war mir egal. Ich wollte lediglich ein bisschen für mich sein, während die Stunden vergingen, bis irgendjemand mir Anweisungen ins Haus brachte, wie ich mich weiter verhalten sollte. Der Platzanweiser begleitete mich zu einer der letzten Sitzreihen an der Seite, während auf der Leinwand gerade Laurence Olivier und Joan Fontaine in einem Cabrio eine kurvenreiche Landstraße entlangbrausten. Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah ich, dass praktisch alle Sitze im Parkett besetzt waren. In meiner Reihe, überhaupt im hinteren Teil des Kinos, saßen wegen der schlechteren Sicht nur vereinzelt Zuschauer, zu meiner Linken mehrere Paare, zu meiner Rechten gar niemand. Doch das änderte sich bald. Wenige Minuten später bemerkte ich, wie sich am anderen Ende der Reihe, höchstens zehn oder zwölf Sitze entfernt, jemand niederließ. Ein Mann. Allein. Ein Mann, dessen Gesicht ich im Dämmerlicht nicht richtig sehen konnte. Ein Mann wie tausend andere, auf den ich nie aufmerksam geworden wäre, hätte er nicht einen hellen Trenchcoat mit aufgestelltem Kragen getragen wie jene Gestalt, die mir seit mehr als einer Woche folgte. Ein Mann im Trenchcoat, der sich, der Blickrichtung nach zu urteilen, weniger für die Filmhandlung interessierte als für mich.
    Es lief mir heiß und kalt über den Rücken. Mit einem Schlag war mir klar, dass mein Verdacht keine Einbildung gewesen war, sondern durchaus begründet: Dieser Mann war meinetwegen hier, hatte mich wahrscheinlich seit

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