Das Echo der Traeume
mein unerwarteter Besucher sagte nicht sofort etwas. Wir starrten uns nur schweigend an, während alle möglichen Erinnerungen und Gefühle auf mich einstürmten.
» Hat dir der Film gefallen?«, fragte er schließlich.
Ich antwortete nicht. Vor mir stand der Mann, der mir seit Tagen folgte. Der Mann, der vor fünf Jahren in einem ähnlichen Mantel aus meinem Leben verschwunden war. Derselbe Mann, der sich mit einer Schreibmaschine in der Hand im Nebel entfernt hatte, als er erfahren hatte, dass ich ihn wegen eines anderen verlassen würde. Ignacio Montes, mein erster Verlobter, war wieder in mein Leben getreten.
» Wir sind ganz schön vorangekommen, nicht wahr, Sirita?«, fügte er hinzu, während er aufstand und auf mich zukam.
» Was machst du hier, Ignacio?«, konnte ich nur flüstern.
Ich hatte meinen Mantel noch gar nicht ausgezogen und bemerkte jetzt, wie das Wasser heruntertropfte und zu meinen Füßen kleine Pfützen auf dem Boden bildete. Doch ich war wie erstarrt.
» Ich wollte dich sehen«, erwiderte er. » Trockne dich ab und zieh dich um, wir müssen uns unterhalten.«
Er lächelte, aber sein Lächeln wirkte unecht. In diesem Augenblick wurde mir bewusst, dass mich nur ein paar Meter von der Tür trennten, durch die ich gerade eingetreten war. Sollte ich versuchen zu flüchten, die Treppe hinunterstürmen, drei Stufen auf einmal nehmend, hinaus zur Haustür, auf die Straße und losrennen? Doch ich verwarf den Gedanken: Bevor ich nicht wusste, worum es ging, wollte ich nicht so überstürzt handeln. Daher tat ich einfach ein paar Schritte auf ihn zu und sah ihm direkt in die Augen.
» Was willst du, Ignacio? Wie bist du hereingekommen, wozu bist du gekommen, warum überwachst du mich?«
» Langsam, Sira, langsam. Reg dich nicht auf, eine Frage nach der anderen. Aber mir wäre es lieber, wenn wir es uns bequem machen könnten, falls du nichts dagegen hast. Ich bin ein bisschen müde, weißt du? Du hast mich letzte Nacht mehr Schlaf gekostet als sonst. Macht es dir etwas aus, wenn ich etwas trinke?«
» Früher hast du keinen Alkohol getrunken«, sagte ich und bemühte mich, ruhig zu bleiben.
Er brach in ein Gelächter aus, das so kalt war wie die Schneide meiner Schere.
» Was für ein gutes Gedächtnis du hast! Kaum zu glauben, dass du dich bei den interessanten Geschichten, die du in den letzten Jahren erlebt haben musst, noch an solche Nebensächlichkeiten erinnern kannst.«
Kaum zu glauben, ja, aber ich erinnerte mich. Daran und an vieles mehr. An unsere langen Spaziergänge am Nachmittag, ohne jedes Ziel, an unseren Tanz unter bunten Lampions auf dem Jahrmarkt. An seinen Optimismus, an seine Sanftheit damals. An mich selbst, als ich nur eine kleine Näherin war und mir kein größeres Glück vorstellen konnte, als den Mann zu heiraten, der mir jetzt richtiggehend Angst einjagte.
» Was willst du trinken?«, fragte ich schließlich. Ich bemühte mich, gelassen zu klingen, keine Nervosität zu zeigen.
» Whisky, Cognac, egal. Was du deinen Gästen sonst auch anbietest.«
Ich goss ihm ein Glas Cognac ein, und damit war die Flasche fast leer, an der sich Beigbeder in der Nacht zuvor bedient hatte, es blieben vielleicht noch zwei Fingerbreit. Als ich in den Salon zurückkam, stellte ich fest, dass Ignacio einen ganz gewöhnlichen grauen Anzug trug, aus besserem Stoff und mit einem besseren Schnitt als während unserer Verlobungszeit, aber von einem weniger guten Schneider wie die Anzüge der Männer, mit denen ich in letzter Zeit Umgang hatte. Ich stellte das Glas auf das Tischchen neben ihm, und erst da fiel mir auf, dass dort eine Pralinenschachtel aus dem Embassy lag, eingewickelt in silbrig glänzendes Papier mit einem prächtigen rosafarbenen Band.
» Eine kleine Aufmerksamkeit von einem Verehrer«, bemerkte er und strich mit den Fingerspitzen leicht über die Schachtel.
Ich sagte nichts darauf. Ich konnte nicht, es hatte mir den Atem verschlagen. Irgendwo auf dem Einwickelpapier dieses unerwarteten Präsents befand sich eine kodierte Nachricht von Hillgarth, eine Nachricht, die niemand außer mir sehen durfte.
Ich setzte mich, noch immer in der nassen Kleidung und überaus angespannt, in eine Ecke des Sofas, möglichst weit von meinem Besucher entfernt. Ich tat, als würde mich die Pralinenschachtel nicht interessieren, und betrachtete Ignacio schweigend, während ich mir die nassen Haare aus dem Gesicht strich. Er war immer noch so schlank wie früher, doch sein Gesicht hatte
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