Das Echo der Traeume
einer Armee beugen dürfen, die ganz Europa im Spaziergang erobert. Wissen Sie, was der erhabene Serrano Suñer neuerdings sagt und unablässig wiederholt: › Krieg mit oder ohne Brot!‹ Genial, oder? Und ich bin der Verrückte, ich fasse es nicht. Mein Widerstand hat mich mein Amt gekostet, wer weiß, ob er mich zu guter Letzt noch das Leben kostet. Ich bin allein, Sira, allein. Das Ministeramt, die militärische Karriere, meine privaten Beziehungen: Alles, absolut alles ziehen sie in den Schmutz. Und jetzt schicken sie mich nach Ronda, wo ich unter Hausarrest stehen werde, vielleicht haben sie sogar vor, mich vor ein Kriegsgericht zu stellen und mich eines schönen Morgens vor irgendeiner Wand zu exekutieren.«
Er nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. Er wirkte müde. Erschöpft. Älter.
» Ich bin schon ganz konfus, ich bin erschöpft«, sagte er mit leiser Stimme. Dann holte er tief Luft. » Was gäbe ich darum, wenn ich wieder zurückgehen könnte, wenn ich mein glückliches Marokko überhaupt nicht verlassen hätte. Was gäbe ich darum, wenn dieser ganze Albtraum niemals begonnen hätte. Nur bei Rosalinda habe ich Trost gefunden, aber sie ist fort. Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen: um Sie zu bitten, mir dabei zu helfen, ihr meine Notizen zukommen zu lassen.«
» Wo ist sie denn jetzt?«
Das fragte ich mich schon seit Wochen, aber ich wusste nicht, an wen ich mich wenden sollte, um es zu erfahren.
» In Lissabon. Sie musste Hals über Kopf abreisen.«
» Warum?«, fragte ich beunruhigt.
» Wir haben erfahren, dass die Gestapo hinter ihr her ist, sie musste Spanien verlassen.«
» Und Sie als Minister konnten nichts für sie tun?«
» Ich, bei der Gestapo? Weder ich noch sonst jemand, meine Liebe. In letzter Zeit sind meine Beziehungen zu den deutschen Regierungsvertretern sehr angespannt: Einige Mitglieder unserer Regierung haben nämlich gegenüber dem Botschafter und seinen Leuten durchsickern lassen, dass ich gegen einen eventuellen Kriegseintritt Spaniens und gegen eine allzu enge Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern bin. Obwohl ich wahrscheinlich auch nichts erreicht hätte, wenn ich mit ihnen auf freundschaftlichem Fuß stehen würde, denn die Gestapo kann schalten und walten, wie sie will, abseits der offiziellen Institutionen. Es ist uns zu Ohren gekommen, dass Rosalinda auf ihrer Liste steht. Eines Nachts hat sie ein paar Sachen gepackt und ist mit dem nächstbesten Flugzeug nach Portugal geflogen, alles andere schicken wir ihr nach. Nur Ben Wyatt, der amerikanische Marineattaché, hat uns zum Flughafen begleitet, er ist ein sehr guter Freund. Sonst weiß niemand, wo Rosalinda sich aufhält. Oder zumindest sollte es niemand wissen. Nun jedoch möchte ich dieses Wissen auch mit Ihnen teilen. Verzeihen Sie, dass ich so einfach vor Ihrer Tür stand, um diese Uhrzeit und in dieser Verfassung, aber morgen bringen sie mich nach Ronda, und ich weiß nicht, wie lange ich dann keinen Kontakt mit ihr werde aufnehmen können.«
» Und was soll ich tun?«, fragte ich, und mir dämmerte allmählich, was der Zweck dieses seltsamen Besuches war.
» Es irgendwie arrangieren, dass diese Briefe im Diplomatengepäck der britischen Botschaft nach Lissabon gelangen. Sorgen Sie dafür, dass Alan Hillgarth sie bekommt, ich weiß, dass Sie mit ihm in Kontakt stehen.« Mit diesen Worten zog er drei dicke Umschläge aus der Innentasche seines Jacketts. » Ich habe sie im Laufe der letzten Wochen geschrieben, wurde aber so streng überwacht, dass ich es nicht gewagt habe, sie auf einem der üblichen Wege abzuschicken. Sie werden verstehen, dass ich nicht mal mehr meinem eigenen Schatten traue. Heute, nach meiner formellen Entlassung, haben sie sich offenbar eine Pause gegönnt und die Überwachung gelockert. Deshalb konnte ich hierherkommen, ohne dass mir jemand gefolgt ist.«
» Sind Sie sicher?«
» Absolut, machen Sie sich keine Sorgen«, bekräftigte er, was mich ein wenig beruhigte. » Ich bin mit dem Taxi gekommen, den Dienstwagen wollte ich lieber nicht nehmen. Es ist uns die ganze Strecke über kein Fahrzeug gefolgt, davon habe ich mich überzeugt. Und eine Verfolgung zu Fuß wäre unmöglich gewesen. Ich bin im Taxi sitzen geblieben, bis ich sah, wie der Hausmeister den Müll herausbrachte, erst dann habe ich das Gebäude betreten. Niemand hat mich gesehen, seien Sie unbesorgt.«
» Woher wussten Sie, wo ich wohne?«
» Das war nicht schwierig. Rosalinda hat diese Wohnung ja ausgewählt
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