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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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Logan.

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    Wie an jedem Nachmittag zu dieser Stunde herrschte in der gut besuchten Hotelhalle reges Treiben. Es drängten sich Ausländer, Damen mit Perlenketten und Männer in Leinenanzügen oder Uniform; der Raum war erfüllt von Gesprächen, dem Duft edler Tabake und geschäftig hin und her eilender Pagen. Wahrscheinlich auch voll unerwünschter Personen. Und eine davon erwartete mich. Zwar gelang es mir, freudige Überraschung zu heucheln, in Wirklichkeit aber bekam ich bei seinem Anblick eine Gänsehaut. Er sah genauso aus wie der Manuel da Silva der vergangenen Tage: selbstsicher in seinem perfekt sitzenden Anzug und den ersten grauen Strähnen, die sein wahres Alter verrieten, aufmerksam und mit einem Lächeln auf den Lippen. Er schien ganz der Gleiche zu sein, ja, aber sein bloßer Anblick stieß mich dermaßen ab, dass ich den Impuls unterdrücken musste, auf dem Absatz kehrtzumachen und aus dem Raum zu laufen. Auf die Straße, zum Strand, bis ans Ende der Welt. Überall hin, Hauptsache nur weg von ihm. Zuvor war alles nur ein Verdacht gewesen, es hatte noch Raum für Hoffnung gegeben, dass sich hinter jener Erscheinung ein ehrenwerter Mann verbarg. Inzwischen war ich eines Besseren belehrt worden, und bedauerlicherweise hatten sich die schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet. Die Mutmaßungen der Hillgarth’ wurden auf einer Kirchenbank bestätigt: Integrität und Loyalität passten nicht zu den Geschäften in Kriegszeiten. Da Silva hatte sich tatsächlich an die Deutschen verkauft. Und als sei das nicht genug, kam zu diesen Kontakten noch eine verhängnisvolle Tatsache: Wenn die alten Freunde ihm zur Last wurden, würde er sie sich vom Hals schaffen müssen. Bei der Erinnerung daran, dass zu ihnen auch Marcus zählte, hatte ich wieder das Gefühl, Nadelstiche im Bauch zu spüren.
    Mein Körper verlangte, dass ich die Flucht ergriff, doch das konnte ich nicht. Nicht nur, weil die große Drehtür des Hotels momentan von einem mit Schrankkoffern und sonstigem Gepäck beladenen Karren versperrt war, sondern auch aus anderen, zwingenderen Gründen. Ich hatte soeben erfahren, dass da Silva vorhatte, vierundzwanzig Stunden später seine deutschen Kontaktleute zu empfangen. Es handelte sich dabei zweifellos um das Treffen, das Hillgarth’ Gattin vermutet hatte und bei dem wahrscheinlich all jene Informationen zur Sprache kommen würden, die die Engländer so dringend in Erfahrung zu bringen wünschten. Mein nächstes Ziel war also, mit allen Mitteln zu versuchen, von ihm dazu eingeladen zu werden – aber die Zeit lief, und zwar gegen mich. Mir blieb keine andere Wahl als die Flucht nach vorne.
    » Herzliches Beileid, liebe Arish.«
    Ein paar Sekunden lang wusste ich nicht, was er damit sagen wollte.
    » Danke«, hauchte ich, als ich begriffen hatte. » Mein Vater war kein Christ, doch ich würdige sein Andenken trotzdem gern mit einem Kirchenbesuch.«
    » Hast du Lust auf einen Drink? Vielleicht ist es nicht der beste Moment, allerdings ist mir zu Ohren gekommen, dass du ein paar Mal bei mir im Büro erschienen bist, und nun bin ich eigens gekommen, um dich aufzusuchen. Bitte entschuldige meine häufige Abwesenheit: In letzter Zeit musste ich mehr reisen, als mir lieb war.«
    » Ja, ich glaube, ein Drink würde mir guttun, danke. Es war ein langer Tag. Und ja, ich bin bei dir im Büro gewesen, aber nur, um Hallo zu sagen. Ansonsten ist alles bestens gelaufen.« Ich riss mich zusammen und brachte sogar ein Lächeln zustande.
    Wir steuerten auf die Terrasse zu, auf der wir unseren ersten Abend verbracht hatten, und es war alles genauso wie damals. Oder fast. Die Requisiten waren die gleichen: die Palmen, die sich im Wind wiegten, der Ozean im Hintergrund, der silbrig glänzende Mond und der perfekt gekühlte Champagner. Aber irgendetwas störte in dem Bild. Etwas, das weder von mir noch vom Ort des Geschehens kam. Ich beobachtete Manuel, während er auch jetzt wieder die übrigen Gäste begrüßte, und da wurde mir klar, dass er es war, der den Missklang in die Harmonie brachte. Er verhielt sich nicht natürlich. Zwar bemühte er sich, so charmant zu wirken wie immer, mit seinen freundlichen Sätzen und herzlichen Gesten, aber kaum kehrte ihm die Person, an die sie gerichtet waren, den Rücken zu, lag ein strenger, konzentrierter Zug um seinen Mund, der sofort verschwand, wenn er sich wieder mir zuwandte.
    » Du hast also noch mehr Stoffe gekauft …«
    » Und Garne auch, außerdem Accessoires, Verzierungen und

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