Das Echo der Traeume
sofort.
Schweigend saßen wir nebeneinander, während die Gläubigen die restlichen Plätze in der Kirche einnahmen. Die Ministranten stellten sich um den Altar herum auf, im Hintergrund hörte man das leise Gemurmel der Gemeinde. Ich betrachtete die Frau in Schwarz mehrmals verstohlen von der Seite, doch das Tuch verhinderte, dass ich ihre Gesichtszüge erkennen konnte. Aber eigentlich war das auch nicht nötig, denn ich wusste, wer sie war. Ich beschloss, mit einem Räuspern das Eis zu brechen.
» Danke, dass Sie nach mir geschickt haben, Beatriz. Bitte haben Sie keine Angst. Niemand in Lissabon wird je von dieser Unterredung erfahren.«
Sie antwortete nicht sofort. Als sie es dann tat, war ihr Blick starr auf ihren Schoß gerichtet und ihre Stimme kaum hörbar.
» Sie arbeiten für die Engländer, nicht wahr?«
Ich nickte zur Bestätigung leicht mit dem Kopf.
» Ich bin nicht sicher, ob Ihnen das etwas nützen wird. Es ist nicht viel. Ich weiß nur, dass da Silva mit den Deutschen in Verhandlungen steht. Es geht um ein paar Minen in der Provinz Beira, ein Gebiet im Landesinneren. Es ist das erste Mal, dass er in dieser Region Geschäfte macht. Das läuft erst seit ein paar Monaten. Inzwischen fährt er wöchentlich dorthin.«
» Worum geht es?«
» Um etwas, das sie Wolfsschaum nennen. Die Deutschen fordern von ihm Exklusivität, er soll radikal seine Verbindungen zu den Briten lösen. Darüber hinaus soll er erreichen, dass die Besitzer der angrenzenden Minen sich mit ihm zusammentun und ebenfalls nicht mehr an die Briten verkaufen.«
Der Priester erschien durch eine Seitentür und schritt zum Altar. Alle Gläubigen erhoben sich, wir beide ebenfalls.
» Wer sind diese Deutschen?«, flüsterte ich unter dem Schleier.
» Zu uns ins Büro ist nur Weiss gekommen, drei Mal. Er spricht nie über das Telefon mit ihnen, er fürchtet, abgehört zu werden. Ich weiß, dass er sich außerhalb der Firma noch mit einem anderen getroffen hat, Wolters. Diese Woche soll noch ein Deutscher aus Spanien dazukommen. Sie treffen sich morgen Abend, am Donnerstag, in seinem Landhaus zum Abendessen: Don Manuel, die Deutschen und die Portugiesen, die Besitzer der angrenzenden Minen. Dort wollen sie zum Abschluss kommen. Er hat wochenlang mit Letzteren verhandelt, damit sie nur die Forderungen der Deutschen erfüllen. Sie kommen alle mit ihren Ehefrauen, und er möchte die Damen besonders zuvorkommend behandeln. Das weiß ich, weil ich für sie Blumen und Konfekt besorgen musste.«
Der Priester beendete die Einführung, und die Gläubigen setzten sich wieder. Kleidung raschelte, einige räusperten sich, das alte Holz knarrte.
» Er hat uns angewiesen, keine Anrufe mehr von den Engländern zu ihm durchzustellen«, sagte sie mit gesenktem Kopf. » Bis vor Kurzem hatte er noch ein gutes Verhältnis zu ihnen. Und heute Morgen hat er sich mit zwei Männern im Lager im Untergeschoss getroffen. Es sind zwei ehemalige Strafgefangene, die ihn gelegentlich schützen, wenn er in undurchsichtige Geschäfte verwickelt ist. Ich konnte nur das Ende des Gesprächs mit anhören. Er hat die beiden angewiesen, die Engländer zu überwachen und, wenn nötig, zu neutralisieren.«
» Was meint er denn mit › neutralisieren‹?«
» Ich nehme an, aus dem Weg schaffen.«
» Wie?«
» Raten Sie mal.«
Wieder erhoben sich die Gläubigen, und wir beide folgten ihrem Beispiel. Hingebungsvoll stimmte die Gemeinde ein Lied an, während mir das Blut in den Schläfen pulsierte.
» Kennen Sie die Namen dieser Engländer?«
» Ich habe sie für Sie aufgeschrieben.«
Diskret reichte sie mir ein zusammengefaltetes Stück Papier, das ich mit meiner Hand sofort umschloss.
» Mehr weiß ich nicht, ich schwöre es.«
» Kommen Sie wieder auf uns zu, wenn Sie etwas Neues in Erfahrung gebracht haben«, meinte ich und musste an die offene Balkontür denken.
» Das werde ich. Und danke, dass Sie meinen Namen raushalten. Und kommen Sie nicht mehr ins Büro.«
Das konnte ich ihr nicht versprechen. Sie erhob sich und ging – in ihren schwarzen Kleidern, mit denen sie wie ein Rabe aussah. Ich blieb noch eine Weile dort sitzen, zwischen den steinernen Säulen, den unharmonisch klingenden Lobgesängen, den gemurmelten Litaneien. Nachdem ich das Gehörte verarbeitet hatte, faltete ich das Papier auseinander und sah, dass meine Befürchtungen begründet gewesen waren. Beatriz Oliveira hatte mir eine Liste mit fünf Namen übergeben. Der vierte war der von Marcus
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