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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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Hillgarth’ Frau erwähnt hatte, hatte ich rein gar nichts gehört. Und die Person, die ich als einzig mögliche Informantin in Erwägung gezogen hatte, war nicht greifbar, gab vor, krank zu sein. Wenn ich noch die schmerzhafte Begegnung mit Marcus hinzufügte, war diese Reise ein kompletter Reinfall. Außer für meine Kundinnen natürlich, die bei meiner Rückkehr nach Spanien, wo es viele Dinge nur auf Bezugsschein gab, eine schier unvorstellbare Farbenpracht erwartete. Angesichts dieser ansonsten nicht gerade rosigen Aussichten nahm ich im Hotelrestaurant ein leichtes Abendessen zu mir und beschloss, früh zu Bett zu gehen.
    Wie jeden Abend hatte das Zimmermädchen alles liebevoll für die Nacht vorbereitet: die Vorhänge zugezogen, die Nachttischlampe eingeschaltet und die Tagesdecke entfernt. Vielleicht waren die frisch gebügelten Bettlaken aus Schweizer Batist das einzig Positive an diesem Tag, denn sie würden mir helfen, wenigstens für ein paar Stunden mein Scheitern zu vergessen. Resultat dieses Tages: null.
    Ich wollte gerade zu Bett gehen, als ich einen kalten Luftzug spürte. Barfuß ging ich Richtung Balkon, zog den Vorhang beiseite und sah, dass die Balkontür offen stand. Wahrscheinlich hat das Zimmermädchen nur vergessen, die Tür zuzumachen, dachte ich, als ich sie schloss. Ich legte mich ins Bett und machte das Licht aus, weil ich keine Lust hatte, noch etwas zu lesen. Ich streckte meine Beine unter der Bettdecke aus, und dabei blieb mein linker Fuß an etwas merkwürdig Leichtem hängen. Ich unterdrückte einen Schrei und versuchte, an den Schalter der Nachttischlampe zu kommen, doch ich beförderte sie mit einer ungeschickten Bewegung geradewegs auf den Boden. Umständlich nahm ich sie wieder hoch und versuchte erneut, sie anzumachen. Was zum Teufel hatte ich da mit meinem Fuß berührt? Es sah aus wie ein Schleier, ein schwarzer Schleier, wie man ihn zur Messe trägt. Ich fasste ihn mit zwei spitzen Fingern an und hob ihn hoch: Das Stoffbündel faltete sich auf, und aus dem Innern fiel ein Bild. Ich packte es vorsichtig an einer Ecke an, als fürchtete ich, es würde gleich zerfallen. Es war ein Marienbildchen mit einer eingedruckten Inschrift. » Igreja de São Domingos. Novena em louvor a Nossa Senhora do Fátima.« Auf der Rückseite war mit Bleistift eine Nachricht gekritzelt: » Mittwoch, sechs Uhr abends. Linke Seite, zehnte Reihe von hinten.« Keine Unterschrift, das war auch gar nicht nötig.
    Den ganzen folgenden Tag über vermied ich es, in da Silvas Büro zu gehen, obwohl meine Termine alle im Stadtzentrum lagen.
    » Können Sie mich heute später abholen, João? Um 19 Uhr 30 am Bahnhof Rossio. Vorher gehe ich noch in die Kirche, denn heute ist der Todestag meines Vaters.«
    Der Chauffeur nickte und sprach mir sein tief empfundenes Beileid aus, und ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich Gonzalo Alvarado so mir nichts, dir nichts abservierte. Doch nun war keine Zeit für Reue, dachte ich, während ich meinen Kopf mit dem schwarzen Schleier bedeckte: Es war Viertel vor sechs, und gleich würde die Andacht beginnen. Die Kirche São Domingos befand sich mitten im Stadtzentrum, unmittelbar an der Praça do Rossio. Das letzte Mal war ich in Tetuán mit meiner Mutter zur Messe gegangen. Im Vergleich zu der kleinen Kirche dort war das hier ein Prachtbau mit den mächtigen steinernen Säulen, die bis hinauf an die sepiabraun gestrichene Decke reichten. Und dann die vielen Menschen, einige Männer, aber in der Hauptsache Frauen, treue Gemeindemitglieder, die der Weisung der Jungfrau folgten und einen Rosenkranz beteten.
    Ich schritt mit gesenktem Kopf, die Hände gefaltet, langsam den linken Seitengang entlang. Scheinbar andächtig, aber in Wahrheit zählte ich die Reihen. Als ich bei der zehnten ankam, konnte ich durch den Schleier aus dem Augenwinkel eine Gestalt in Trauerkleidung am Kopfende sitzen sehen. Mit schwarzem Rock, schwarzem Schultertuch und schwarzen Wollstrümpfen – wie so viele einfache Frauen in Lissabon sie tragen. Sie trug keinen Schleier, sondern ein Kopftuch, das sie unter dem Kinn zugebunden hatte und das so weit in die Stirn reichte, dass man ihr Gesicht nicht sah. Neben ihr war noch frei, doch im ersten Moment wusste ich nicht, was ich nun tun sollte. Bis ich eine blasse und gepflegte Hand bemerkte, die aus den Rockfalten auftauchte. Eine Hand, die sich auf den freien Platz neben sie legte. Setzen Sie sich, schien sie zu sagen. Ich gehorchte ihr

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