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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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dem Gleis!«
    Das Quietschen der Bremsen wurde schwächer, und schließlich blieb der Zug stehen. In allen Fenstern tauchten Gesichter auf. Die Stimmen und die Rufe der Passagiere mischten sich mit dem andauernden Krawall, den die Bahnbediensteten veranstalteten. Und dann sahen wir sie. Zwei Schatten lösten sich von einem Waggon und rannten auf uns zu.
    Ich überschlug blitzschnell Entfernungen und Zeiten. Noch konnte ich hinuntersteigen und das Heft aufsammeln, aber ich wusste, dass es viel länger dauern würde, wieder auf den Bahnsteig zu klettern. Immerhin war es eine beträchtliche Höhe, und wahrscheinlich machten meine Beine das gar nicht mehr mit. Trotzdem musste ich es einfach versuchen. Ich musste die Schnittmuster um jeden Preis wieder an mich nehmen, ohne all das, was ich in ihnen festgehalten hatte, konnte ich nicht nach Madrid zurückkehren. Dann spürte ich, wie Marcus mich von hinten packte. Er riss mich vom Gleis fort und sprang selbst hinunter.
    Von dem Moment an, in dem er das Heft an sich genommen hatte, war alles nur noch eine verrückte Verfolgungsjagd. Wir rannten quer über den Bahnsteig, wir rannten mit hallenden Schritten über die Fliesen des verlassen daliegenden Vestibüls, wir rannten über den dunklen Vorplatz. Bis wir am Auto ankamen. Hand in Hand durch die Nacht wie in längst vergangenen Zeiten.
    » Was zum Teufel ist in diesem Heft, dass du dafür unser Leben riskierst?«, fragte er, während er sich bemühte, wieder zu Atem zu kommen, und gleichzeitig den Motor aufheulen ließ.
    Als ich wieder Luft bekam, kniete ich mich auf den Sitz, um nach hinten zu blicken. In der Staubwolke, die die Hinterreifen aufwirbelten, erkannte ich die Männer aus dem Zug, die uns hinterherrannten, so schnell sie nur konnten. Anfangs trennten uns nur wenige Meter von ihnen, aber nach und nach vergrößerte sich der Abstand. Bis ich schließlich sah, dass sie aufgaben. Zuerst wurden die Bewegungen des einen langsamer, bis er schließlich wie betäubt stehen blieb, breitbeinig, die Arme über dem Kopf, als könne er nicht fassen, was gerade geschehen war. Der andere hielt noch ein paar Meter durch, doch bald ging auch ihm die Kraft aus. Das Letzte, was ich von ihm sah, war, dass er sich nach vorn beugte und, sich den Bauch haltend, alles erbrach, was er kurz zuvor so gierig in sich hineingestopft hatte.
    Inzwischen konnte ich sicher sein, dass wir nicht mehr verfolgt wurden, und so setzte ich mich wieder ordentlich hin und beantwortete, noch immer heftig atmend, Marcus’ Frage.
    » Die besten Schnittmuster, die mir in meinem ganzen Leben gelungen sind.«

65
    » Gamboa ahnte etwas, als er dir die Orchideen brachte. Deshalb wartete er halb versteckt, um herauszubekommen, wem der Hut gehörte, der auf dem Schreibtisch lag. Und dann sah er mich aus deinem Zimmer kommen. Er kennt mich sehr gut, denn ich war mehrere Male in der Firma. Anschließend ging er mit der Information zu da Silva, aber sein Chef wollte ihm nicht zuhören. Er sei mit einer wichtigen Angelegenheit beschäftigt, sagte er, sie würden sich am nächsten Tag unterhalten. Und das haben sie heute getan. Und als da Silva erfuhr, worum es ging, wurde er wütend. Er warf ihn hinaus und wurde aktiv.«
    » Und woher weißt du das alles?«
    » Weil Gamboa heute Nachmittag zu mir gekommen ist. Er ist ganz durcheinander, hat furchtbare Angst und sucht verzweifelt nach jemandem, der ihn beschützt. Er dachte, er würde sich vielleicht sicherer fühlen, wenn er sich den Engländern annähert, zu denen sie früher ganz ausgezeichnete Beziehungen hatten. Er weiß auch nicht, in was da Silva verstrickt ist, denn er sagt es nicht einmal den Leuten seines Vertrauens, doch sein Verhalten hat mich um dein Leben fürchten lassen. Ich bin in dein Hotel gegangen, sobald ich mit Gamboa gesprochen hatte, aber du warst schon fort. Ich kam genau in dem Augenblick am Bahnhof an, als der Zug anfuhr, und als ich da Silva in der Ferne allein am Bahnsteig stehen sah, dachte ich, alles sei in Ordnung. Bis mir in letzter Sekunde auffiel, dass er zwei Männern, die sich aus einem Zugfenster beugten, ein Zeichen machte.«
    » Was für ein Zeichen?«
    » Er zeigte ihnen eine Acht. Die fünf Finger einer Hand und drei der anderen.«
    » Die Nummer meines Abteils.«
    » Es war die einzige Information, die noch fehlte. Alles andere hatten sie bereits vorher abgesprochen.«
    Mich überkam ein seltsames Gefühl. Entsetzen, gemischt mit Erleichterung, Schwäche gepaart mit Zorn.

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