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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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mit sich gebracht und der Argwohn Schweigen: ein unangenehmes, nervtötendes Schweigen, getränkt von Misstrauen. Ein ungerechtes Schweigen. Marcus hatte mich gerade aus der gefährlichsten Situation meines Lebens gerettet und fuhr nun die ganze Nacht durch, um mich sicher nach Hause zu bringen, und ich dankte es ihm damit, dass ich den Kopf in den Sand steckte und mich weigerte, ihm irgendeinen klärenden Hinweis zu geben. Aber ich brachte kein Wort über die Lippen. Ich durfte ihm noch nichts sagen, zuerst brauchte ich eine Bestätigung für meinen Verdacht, der mich seit dem morgendlichen Gespräch mit Rosalinda plagte, als sie mir die Augen geöffnet hatte. Oder vielleicht doch. Vielleicht konnte ich ihm doch etwas sagen. Ein Bruchstück der vergangenen Nacht, ein klitzekleines Stück, einen Anhaltspunkt. Etwas, das uns beiden nützen würde: ihm, damit zumindest teilweise seine Neugier gestillt wurde, und mir, um den Boden vorzubereiten, bis meine Vorahnungen Gewissheit würden.
    Badajoz und Mérida lagen hinter uns. Wir hatten seit der Grenze kein Wort miteinander gewechselt, sondern unser gegenseitiges Misstrauen über löchrige Straßen und römische Brücken mitgeschleppt.
    » Erinnerst du dich an Bernhardt, Marcus?«
    Es kam mir vor, als würden sich seine Armmuskeln anspannen und die Hände das Lenkrad noch fester umklammern.
    » Ja, natürlich erinnere ich mich an ihn.«
    Mit einem Mal füllte sich das dunkle Wageninnere mit Bildern und Gerüchen jenes Tages, nach dem zwischen uns nichts mehr so gewesen war wie zuvor. Ein Abend im marokkanischen Sommer, meine Wohnung in der Calle Sidi Mandri, ein angeblicher Journalist, der mich an der Balkontür erwartete. Die vor Menschen wimmelnden Straßen Tetuáns, die Gärten des Hochkommissariats, die Musikkapelle des Kalifen, die Hymnen schmetterte, der Duft von Jasmin- und Orangenblüten, goldbetresste Uniformen. Die abwesende Rosalinda und ein enthusiastischer Beigbeder, der den großen Gastgeber spielte, noch nicht ahnend, dass jener Mann, den er an jenem Tag ehrte, ihm in nicht allzu ferner Zukunft sein Leben zerstören würde. Eine Gruppe deutscher Offiziere, die den Ehrengast mit den Katzenaugen umstanden, und mein Begleiter, der mich bat, ihm bei der Beschaffung geheimer Informationen behilflich zu sein. Eine andere Zeit, ein anderes Land und letzten Endes doch alles fast gleich. Fast.
    » Gestern habe ich mit ihm zu Abend gegessen, in da Silvas Landhaus. Anschließend haben sie bis in die Morgenstunden miteinander gesprochen.«
    Ich wusste, dass er sich beherrschte, dass er mehr wissen wollte – Daten, Einzelheiten –, aber es nicht wagte, mich danach zu fragen, da er mir noch nicht ganz vertraute. Die süße Sira war tatsächlich nicht mehr die, die sie einmal war.
    Schließlich hielt er es nicht mehr aus.
    » Konntest du hören, worüber sie redeten?«
    » Kein Wort. Hast du eine Ahnung, was die beiden gemeinsam haben könnten?«
    » Nicht die geringste.«
    Ich log, und er wusste es. Er log, und ich wusste es. Und keiner von uns beiden war bereit, die Karten auf den Tisch zu legen, aber die kleine Anspielung hatte die Spannung zwischen uns doch ein wenig gelockert. Vielleicht, weil sie Erinnerungen an eine Vergangenheit wachrief, als wir unsere Unschuld noch nicht verloren hatten. Vielleicht, weil diese Erinnerung uns half, ein Stück der früheren Komplizenschaft wiederzuerlangen, und uns mahnte, dass uns noch etwas anderes verband als Lügen und Ressentiments.
    Plötzlich überkam mich eine ungeheure Müdigkeit, obwohl ich mich bemühte, auf die Straße zu achten und wach zu bleiben. Die Anspannung der letzten Tage, der Schlafmangel und die nervenaufreibenden Ereignisse der vergangenen Nacht forderten ihren Tribut. Zu lange schon war ich auf einem dünnen Seil balanciert.
    » Bist du müde?«, fragte er. » Komm, leg den Kopf auf meine Schulter.«
    Ich umfasste seinen rechten Arm und schmiegte mich an ihn, um mir ein wenig Wärme bei ihm zu holen.
    » Schlaf. Es ist nicht mehr allzu weit«, flüsterte er mir zu.
    Dann versank ich langsam in einem dunklen Brunnen, in dem ich die jüngsten Ereignisse in verformter Weise noch einmal erlebte. Männer, die mich verfolgten und dabei die Messer wetzten, der lange, feuchte Kuss einer Schlange, die Frauen der Wolframisten, die auf einem Tisch tanzen, da Silva, der etwas an den Fingern abzählt, der schluchzende Gamboa, Marcus und ich, wie wir im Dunkeln durch die Altstadtgassen von Tetuán laufen.
    Ich wusste

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