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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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Vielleicht der Geschmack von Verrat. Doch ich wusste, ich hatte keinen Grund, mich verraten zu fühlen. Ich hatte Manuel mit verführerischem Benehmen getäuscht, und er hatte es mir vergelten wollen, ohne sich die Hände oder seine elegante Kleidung schmutzig zu machen. Verrat gegen Verrat, so funktionierte die Sache.
    Wir fuhren weiter über staubige Landstraßen voller Schlaglöcher, durch schlafende Dörfer, verlassene Weiler und Ödland. Kilometerweit sahen wir kein einziges Licht als die Scheinwerfer unseres eigenen Wagens, die sich in die schwarze Nacht bohrten. Auch der Mond schien nicht. Marcus ahnte, dass da Silvas Männer nicht am Bahnhof bleiben würden, sondern vielleicht eine Möglichkeit fanden, uns zu folgen. Deshalb fuhr er weiter, ohne das Tempo zu verringern, als hingen die beiden Schurken hinten am Schutzblech.
    » Ich bin fast sicher, dass sie es nicht wagen werden, uns bis nach Spanien zu folgen. Sie würden sich auf unbekanntes Terrain begeben, wo sie die Spielregeln nicht kennen. Ihres speziellen Spiels. Aber solange wir die Grenze nicht hinter uns haben, müssen wir wachsam sein.«
    Es wäre verständlich gewesen, wenn Marcus mich gefragt hätte, warum mich da Silva so erbarmungslos eliminieren wollte, nachdem er mich wenige Tage zuvor so überaus zuvorkommend behandelt hatte. Er hatte uns selbst beim Abendessen und Tanzen im Casino gesehen, er wusste, dass ich mich tagtäglich in da Silvas Wagen hatte chauffieren lassen und Geschenke von ihm angenommen hatte. Vielleicht erwartete er von mir irgendeinen Kommentar über die Art meiner vermeintlichen Beziehung zu da Silva, vielleicht eine Erklärung zu dem, was zwischen uns passiert war, eine erhellende Äußerung, wie es zu dem perversen Auftrag gekommen war, wo ich doch schon im Begriff war, sein Land und sein Leben zu verlassen. Doch es kam kein einziges Wort aus meinem Mund.
    Marcus redete weiter, ohne den Blick von der Straße zu wenden, lieferte mir Stichworte und Deutungen, in der Hoffnung, mich dadurch aus der Reserve zu locken.
    » Da Silva«, fuhr er fort, » hat dir die Türen seines Hauses sperrangelweit geöffnet und dich Zeuge sein lassen von allem, was gestern Abend passiert ist und von dem ich nichts weiß.«
    Ich sagte nichts darauf.
    » Und du willst offenbar nichts davon erzählen.«
    Ganz richtig, ich wollte nicht.
    » Jetzt ist er davon überzeugt, dass du dich ihm genähert hast, weil du im Auftrag von irgendjemandem arbeitest. Er hat den Verdacht, dass du nicht bloß eine simple Schneiderin aus dem Ausland bist, die zufällig in sein Leben getreten ist. Er glaubt, du hast dich ihm genähert mit dem Ziel, in seinen Angelegenheiten herumzuschnüffeln. Und nach dem Tipp von Gamboa denkt er irrtümlich, dass du für mich arbeitest. Jedenfalls hat er Interesse daran, dass du den Mund hältst. Möglichst für immer.«
    Ich blieb weiterhin stumm und verbarg meine Gedanken lieber hinter einer vorgetäuschten Ahnungslosigkeit. Bis mein Schweigen für beide unerträglich wurde.
    » Danke, dass du mich beschützt hast, Marcus«, flüsterte ich schließlich.
    Er ließ sich nicht täuschen, nicht erweichen und mich von meiner gespielten Naivität auch nicht beeindrucken.
    » Mit wem arbeitest du zusammen, Sira?«, fragte er dann langsam, die Straße fest im Blick.
    Ich drehte mich zur Seite und betrachtete im Halbdunkel sein Profil. Die schmale Nase, das kantige Kinn. Dieselbe Entschlossenheit, dieselbe Selbstsicherheit. Es schien, als hätte er sich nicht verändert seit damals in Tetuán. Es schien so.
    » Und du, Marcus, für wen arbeitest du?«
    Auf dem Rücksitz, unsichtbar, aber ganz nah, hatte sich ein weiterer Mitfahrer niedergelassen: das Misstrauen.
    Nach Mitternacht passierten wir die Grenze. Marcus zeigte seinen britischen Pass vor, ich meinen marokkanischen. Ich bemerkte, wie er ihn musterte, doch er stellte keine Fragen. Von da Silvas Männern war nichts zu sehen, weit und breit kein Mensch außer zwei schläfrigen Grenzpolizisten, die wenig Lust hatten, ihre Zeit mit uns zu vergeuden.
    » Vielleicht sollten wir irgendwo übernachten, jetzt, wo wir in Spanien sind und wissen, dass sie uns nicht gefolgt sind. Überholt haben sie uns auch nicht. Morgen kann ich mit dem Zug weiterfahren und du zurück nach Lissabon«, schlug ich vor.
    » Ich fahre lieber weiter bis Madrid«, murmelte er vor sich hin.
    Auf der Weiterfahrt begegneten wir keinem einzigen Wagen, und jeder hing seinen Gedanken nach. Das Misstrauen hatte Argwohn

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