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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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In seinem Brief gibt Arribas ja alles offen zu. Er besitzt sogar die Frechheit, Ihnen ganz offen zu erklären, dass er die Absicht hat, Sie ohne eine einzige Pesete im Stich zu lassen und all Ihren Besitz mitzunehmen. Und das, wo Sie schwanger waren und das Kind verloren, kaum dass Sie in Tetuán aus dem Bus stiegen.«
    Als er meine mit Tränen, Schmerz und Enttäuschung vermischte Verwirrung bemerkte, konnte er nicht umhin, mich zu fragen:
    » Ja, erinnern Sie sich denn nicht? Ich war es, der Sie dort erwartete. Wir hatten einen Tipp von der Gendarmerie in Tanger bekommen, die uns von Ihrer Ankunft in Kenntnis gesetzt hatte. Allem Anschein nach war einem Hotelpagen Ihr überstürzter Aufbruch nicht entgangen, bei dem Sie offenbar vollkommen durcheinander waren. Er schlug Alarm und informierte den Direktor. Dann entdeckte man, dass Sie beide Ihr Zimmer wohl in der Absicht verlassen hatten, nie mehr dorthin zurückzukehren. Da die offene Summe beträchtlich war, verständigte man die Polizei, machte den Taxifahrer ausfindig, der Sie zum Busbahnhof gefahren hatte, und erfuhr, dass Sie ein Billett nach Tetuán erstanden hatten. Normalerweise hätte ich einen meiner Männer geschickt, um Sie zu holen, doch da in letzter Zeit die Lage recht angespannt gewesen war, zog ich es vor, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, um irgendwelche unangenehmen Überraschungen zu vermeiden. Kaum waren Sie aus dem Bus gestiegen, wurden Sie in meinen Armen ohnmächtig. Ich persönlich brachte Sie hierher.«
    Mein Gedächtnis förderte ein paar verschwommene Erinnerungsfetzen zutage. Die unerträgliche Hitze im Bus, der Lärm, die Körbe mit lebenden Hühnern, der Schweiß und der Geruch, den die Körper der Mitreisenden verströmten, die zahllosen Gepäckstücke, die die Passagiere, Marokkaner und Spanier, mit sich führten. Das Empfinden, etwas Feuchtes und Klebriges zwischen meinen Beinen zu spüren. Und bei meiner Ankunft in Tetuán das Gefühl, mich kaum auf den Beinen halten zu können, dann das Entsetzen, als ich spürte, wie eine warme Flüssigkeit meine Beine hinunterlief. Ein schwarzes, zähflüssiges Rinnsal bei jeder Bewegung, dann der erste Schritt, den ich auf dem Boden der neuen Stadt tat, dann die Stimme eines Mannes, dessen Gesicht zur Hälfte von einem Hut verdeckt wurde. » Sira Quiroga? Polizei. Kommen Sie bitte mit.« In jenem Moment überkam mich eine unendliche Mattigkeit, und ich bemerkte, wie sich mein Verstand vernebelte und meine Beine nachgaben. Ich verlor das Bewusstsein, und nun, Wochen später, saß mir dieses Gesicht wieder gegenüber, von dem ich noch immer nicht wusste, ob es meinem Henker oder meinem Retter gehörte.
    » Schwester Virtudes übernahm es, mich über Ihren Gesundheitszustand auf dem Laufenden zu halten. Immer wieder habe ich versucht, mit Ihnen zu sprechen, doch erst heute ließ man mich zu Ihnen. Man hat mir gesagt, Sie hätten eine perniziöse Anämie und noch ein paar andere Dinge. Aber nun scheint es Ihnen endlich besser zu gehen, und in einigen Tagen wird man Sie entlassen.«
    » Und wohin soll ich gehen?« Mein Kummer war so groß wie meine Angst. Ich fühlte mich nicht imstande, mich einer mir völlig unbekannten Realität zu stellen. Niemals zuvor war ich ohne Hilfe gewesen, stets hatte ich jemanden an meiner Seite gehabt, der mir meinen Weg vorgab: meine Mutter, Ignacio, Ramiro. Ich fühlte mich nutzlos, unfähig, mich allein dem Leben und seinen Herausforderungen zu stellen. Nicht in der Lage zu überleben, ohne eine helfende Hand, die mich mitnahm, ohne einen Kopf, der für mich entschied. Ohne die Gegenwart einer mir nahestehenden Person, der ich vertrauen konnte.
    » Ich bin gerade dabei«, sagte er, » für Sie ein Plätzchen zu finden, was – wie die Dinge stehen – nicht einfach werden dürfte. Auf jeden Fall benötige ich von Ihnen noch ein paar Auskünfte, sodass ich, wenn Sie sich dazu in der Lage fühlen, gerne morgen wiederkäme, damit Sie mir in Ihren Worten berichten, was geschehen ist, um herauszufinden, ob es vielleicht ein Detail gibt, das uns helfen könnte, die Probleme zu lösen, in die Sie Ihr Ehemann gebracht hat oder Ihr Verlobter …«
    » … oder was auch immer dieser Sohn einer Rabenmutter ist«, vervollständigte ich den Satz, während ich das Gesicht verbittert, aber auch ein wenig ironisch verzog.
    » Waren Sie verheiratet?«, fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf.
    » Besser für Sie«, meinte er kategorisch. Dann sah er auf die Uhr. » Gut, ich

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