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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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nach Spanien, und dann sitzen Sie, ehe Sie sichs versehen, sieben Jahre lang im Frauengefängnis von Quiñones. Haben wir uns verstanden?«
    Angesichts dieser massiven Drohung brachte ich keinen vernünftigen Satz zustande, sondern nickte nur stumm. Dann erhob sich der comisario und ich mich kurz nach ihm. Doch im Gegensatz zu ihm, der mit einer raschen und geschmeidigen Bewegung aufstand, musste ich meinem Körper eine ungeheure Kraftanstrengung abverlangen.
    » Also los«, sagte er. » Lassen Sie, ich nehme Ihren Koffer schon. Sie sind ja so schwach, dass Sie kaum Ihren eigenen Schatten schleppen können. Mein Wagen steht vor der Tür. Verabschieden Sie sich von den Schwestern, bedanken Sie sich bei ihnen für die gute Behandlung, und dann gehen wir.«
    Auf der Fahrt durch Tetuán in seinem Wagen sah ich zum ersten Mal einen Teil jener Stadt, in der ich für noch unbestimmte Zeit leben würde. Das Hospital Civil lag außerhalb, nun fuhren wir in die Stadt hinein, und die Straßen wurden immer belebter. Jetzt, kurz vor Mittag, schien alle Welt unterwegs zu sein. Automobile waren kaum zu sehen, aber der comisario musste ununterbrochen hupen, um sich zwischen den Menschen, die gemächlich kreuz und quer über die Straße liefen, einen Weg zu bahnen. Man sah Männer in hellen Leinenanzügen mit Panamahut, Jungen in kurzen Hosen, die Fangen spielten, und Spanierinnen mit dem Einkaufskorb voller Gemüse. Man sah muslimische Männer mit Turban und gestreifter Dschellaba und Frauen in wallenden Gewändern, die nur die Augen und die Füße hervorschauen ließen. Man sah Soldaten in Uniform und Mädchen mit geblümten Sommerkleidern, barfüßige Kinder von Einheimischen, die zwischen Hühnern spielten. Man hörte Stimmen, Sätze und einzelne Wörter in Arabisch und Spanisch, und der comisario wurde ständig gegrüßt, weil jemand seinen Wagen erkannte. Dass in dieser Region nur wenige Wochen später ein Bürgerkrieg seinen Ausgang nehmen sollte, war schwer vorstellbar, doch er lag schon in der Luft.
    Wir wechselten während der ganzen Fahrt kaum ein Wort, schließlich waren wir auch nicht zum Vergnügen unterwegs, sondern ich sollte lediglich vorschriftsmäßig und sicher von einem Ort zum anderen gebracht werden. Gelegentlich jedoch, wenn der comisario meinte, etwas könnte für mich fremd oder neu sein, wies er mich mit einer Kopfbewegung und ein paar knappen erklärenden Worten darauf hin, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. » Frauen aus dem Rif-Gebirge«, sagte er einmal, wie ich mich erinnere, und deutete auf eine Gruppe marokkanischer Frauen mit gestreiften Röcken und großen Strohhüten auf dem Kopf, an denen bunte Bommel baumelten. Die zehn oder fünfzehn Minuten dauernde Fahrt genügten mir, um die fremdartigen Formen auf mich wirken zu lassen, die Gerüche zu entdecken und die Namen einiger Dinge zu lernen, die von nun an zu meinem Alltag in diesem neuen Lebensabschnitt gehören würden. Das Hochkommissariat, die Kaktusfeigen, der Palast des Kalifen, die Wasserverkäufer auf ihren Eseln, das maurische Viertel, die beiden Berge Dersa und Gorgues, die bakalitos – kleine arabische Läden, die allgegenwärtige Nana-Minze.
    An der Plaza de España stiegen wir aus. Sofort kamen ein paar einheimische Kinder auf uns zugerannt, die mein Gepäck tragen wollten, und der comisario ließ sie gewähren. Und dann gingen wir in die Calle Luneta hinein, gleich neben dem jüdischen Viertel, neben der Medina. La Luneta, meine erste Straße in Tetuán: schmal, laut, betriebsam, voller Menschen, Kneipen, Cafés und lärmenden kleinen Läden, in denen alles Erdenkliche ge- und verkauft wurde. Wir gelangten an ein Portal, gingen hinein, stiegen eine Treppe hinauf. Im ersten Stock drückte der comisario auf eine Klingel.
    » Guten Tag, Candelaria. Hier bringe ich meinen Auftrag, den Sie schon erwarten.« Bei dem fragenden Blick der rundlichen, rot gekleideten Frau, die gerade die Tür geöffnet hatte, deutete mein Begleiter mit einer knappen Kopfbewegung auf mich.
    » Aber was für ein Auftrag kann das sein, mein lieber comisario?«, gab sie mit einem lauten Lachen zurück und stemmte die Arme in die Hüften. Gleich darauf trat sie zur Seite und ließ uns eintreten. Wir betraten eine sonnige Wohnung, sehr sauber, wenn auch bescheiden und nicht sonderlich geschmackvoll eingerichtet. Die Frau gab sich recht forsch, doch man meinte zu spüren, dass der Besuch des Polizisten sie durchaus beunruhigte.
    » Ein spezieller Auftrag

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