Das Echo der Traeume
Anzahlung geleistet, aber da Sie ja als gute Kundin galten, die stets pünktlich gezahlt hatte, argwöhnte niemand etwas. Man ging davon aus, dass Sie den Rest der Summe innerhalb der üblichen Fristen begleichen würden. Doch die Zahlung erfolgte nie. Arribas verkaufte, wie gehabt, die Ware, strich den Gewinn ein und verduftete: mit Ihnen und Ihrem praktisch unangetasteten Kapital plus einem ordentlichen Profit aus dem Wiederverkauf und der nicht bezahlten Rechnung. Ein Volltreffer, das kann man wohl sagen, allerdings ist ihm offensichtlich jemand auf die Schliche gekommen, denn seine Abreise aus Madrid ging, wie ich hörte, etwas überstürzt vonstatten, nicht wahr?«
Schlagartig kam mir wieder in den Sinn, wie ich an jenem Morgen im März nach einer Besorgung in unsere Wohnung an der Plaza de las Salesas kam und Ramiro vorfand, wie er, nervös und fahrig, Kleidung aus dem Schrank nahm und hastig in Koffer stopfte. Wie er mich drängte, das Gleiche zu tun, um ja keine Zeit zu verlieren. Diese Bilder vor Augen bestätigte ich die Vermutung des comisario. Er fuhr fort:
» So hat sich Arribas letztendlich nicht nur Ihr Geld unter den Nagel gerissen, sondern er hat es verwendet, um damit für sich selbst den größtmöglichen Profit herauszuschlagen. Ohne jeden Zweifel ein sehr gerissener Typ.«
Erneut stiegen mir die Tränen in die Augen.
» Hören Sie auf. Sparen Sie sich Ihre Tränen, bitte. Über verschüttete Milch lohnt es sich nicht zu weinen! Schauen Sie, alles ist tatsächlich im ungünstigsten und heikelsten Moment passiert.«
Ich schluckte meinen Kummer hinunter, riss mich zusammen und schaffte es, mich wieder auf das Gespräch zu konzentrieren.
» Sie meinen, wegen des Kriegs, den Sie neulich erwähnten?«
» Man weiß noch nicht, wo das alles enden wird, doch im Moment ist die Lage äußerst verworren. Halb Spanien ist in den Händen der Aufständischen, und die andere Hälfte steht treu zur Regierung. Es herrscht ein unglaubliches Chaos, es gibt weder gesicherte Informationen noch Nachrichten. Kurz und gut, ein absolutes Desaster.«
» Und hier? Wie stehen die Dinge hier?«
» Im Moment ist es einigermaßen ruhig. In den Wochen zuvor war die Lage jedoch sehr viel angespannter. Hier begann alles, wissen Sie das nicht? Hier kam es zum Militäraufstand spanischer nationalistischer Kräfte, von hier, von Marokko aus, machte sich General Franco auf den Weg, hier begann der Putsch. In den ersten Tagen kam es zu Bombardements. Die Luftwaffe der Republikaner griff als Antwort auf die Revolte das Hochkommissariat an, verfehlte jedoch unglücklicherweise ihr Ziel, und eine der Fokker-Maschinen verursachte zahlreiche Verletzte unter den Zivilisten, den Tod einiger einheimischer Kinder und die Zerstörung einer Moschee, sodass die Muselmanen diesen Akt als Angriff auf sich betrachteten und sich daraufhin den Putschisten anschlossen. Es gab darüber hinaus viele Festnahmen und Erschießungen von Verteidigern der Republik, die sich gegen den Aufstand auflehnten: Das europäische Gefängnis ist bis obenhin voll, und man hat daher in El Mogote so etwas wie ein Gefangenenlager errichtet. Seitdem die Putschisten den Flugplatz Sania Ramel in Beschlag genommen haben, der übrigens ganz in der Nähe des Hospitals liegt, fiel die letzte Bastion der Regierung im Protektorat, sodass nun ganz Nordafrika von den aufständischen Militärs kontrolliert wird und sich die Lage mehr oder weniger beruhigt hat. Die Kämpfe gehen nun auf der spanischen Halbinsel weiter.«
Darauf rieb er sich mit dem Daumen und dem Zeigefinger der linken Hand über die Augen. Dann fuhr er mit der Handfläche langsam weiter nach oben, zu den Augenbrauen, der Stirn und dem Haaransatz, über den Scheitel zum Nacken, bis er schließlich am Hals ankam. Er redete leise, als spräche er zu sich selbst.
» Hoffentlich hat das bald ein Ende, verdammt noch mal!«
Ich riss ihn aus seinen Gedanken, denn ich konnte nicht eine Sekunde länger die Ungewissheit ertragen.
» Aber kann ich denn nun gehen oder nicht?«
Meine unverfrorene Frage holte ihn auf den Boden der Tatsachen zurück.
» Nein. Auf gar keinen Fall. Sie können nirgendwohin und schon gar nicht nach Madrid. Dort hält sich momentan die Regierung der Republikaner. Das Volk unterstützt sie und bereitet sich darauf vor, egal, was kommen mag, Widerstand zu leisten.«
» Aber ich muss zurück«, beharrte ich matt. » Dort ist meine Mutter, mein Zuhause …«
Als er erneut zum Reden ansetzte,
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