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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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Ansprüchen. Mit ihnen und allem, was ihr sonst noch über den Weg lief, versuchte sie, ein Geschäft zu machen: Ich verkaufe dir dies, ich kaufe von dir jenes, ich lasse dir ein wenig im Preis nach. Du schuldest mir, ich schulde dir, lass du mir etwas nach. Aber Vorsicht! Immer schön vorsichtig, denn Candelaria die Schmugglerin mit ihrem matronenhaften Gebaren, ihren zwielichtigen Geschäften und jener Unverfrorenheit, mit der sie anscheinend auch den Mutigsten zu Fall brachte, war beileibe keine Närrin und wusste, mit comisario Vázquez war nicht zu spaßen. Gelegentlich ein kleiner Scherz hier, eine ironische Bemerkung da, aber ohne dass er sie dabei erwischte, wie sie die Grenze des gesetzlich Zulässigen überschritt, denn dann würde er nicht nur alles in greifbarer Nähe beschlagnahmen. Sie selbst sagte: » Sobald er mich erwischt, wenn ich nach Fisch stinke, steckt er mich in den Knast und dann – adieu, du schöne Welt.«
    Die sanfte junge Araberin half mir, mich in meinem neuen Heim einzurichten. Gemeinsam packten wir meine wenigen Habseligkeiten aus und hängten die Sachen auf Drahtbügeln in den sogenannten Schrank, der nicht mehr war als ein großer Holzkasten mit einer Art Gardine aus einem Stoffrest davor. Dieses Möbel, eine nackte Glühbirne und ein altes Bett mit einer Ziegenhaarmatratze stellten das einzige Mobiliar der Kammer dar. Ein alter Kalender mit einem Druck von Nachtigallen, ein Geschenk des Herrensalons El Siglo, lieferte den einzigen Farbtupfer an den weiß getünchten Wänden, an denen sonst nur die Reste zahlloser undefinierbarer Flecken zu sehen waren. In einer Ecke, auf einer Truhe, stapelten sich verschiedene Dinge, die selten benutzt wurden: ein Henkelkorb aus Stroh, eine beschädigte Waschschüssel, zwei oder drei emaillierte Nachttöpfe mit etlichen abgeplatzten Stellen und zwei rostige Vogelkäfige aus Draht. Vom Komfort her war das Zimmer einfach, um nicht zu sagen ärmlich, aber es war sauber, und während das schwarzäugige Mädchen mir half, das Durcheinander an verknitterter Kleidung zu ordnen, die nun meinen einzigen Besitz darstellte, wiederholte es mit sanfter Stimme:
    » Siñorita, du nicht Sorgen machen, Jamila waschen, Jamila bügeln Sachen von Siñorita.«
    Ich war körperlich noch immer so schwach, dass ich mich nach der kleinen Anstrengung, meinen Koffer ins Zimmer zu schaffen und auszupacken, hinsetzen musste, damit mir nicht wieder übel wurde. Ich ließ mich am Fußende des Bettes nieder, schloss die Augen und bedeckte sie mit den Händen, die Ellbogen auf die Knie gestützt. Nach einigen Minuten ließ das Schwindelgefühl nach, ich kehrte in die Gegenwart zurück und stellte fest, dass die junge Jamila neben mir stand und mich besorgt beobachtete. Ich sah mich um. Die dunkle, armselige Kammer, eigentlich ein Rattenloch, war nach wie vor da, ebenso meine verknitterten Kleider auf den Bügeln und auf dem Boden der leere Koffer. Und trotz aller Ungewissheit, die sich seit diesem Tag wie ein Abgrund vor mir öffnete, dachte ich mit einer gewissen Erleichterung, dass ich, mochten sich die Dinge auch noch so schlecht entwickeln, zumindest schon ein Schlupfloch hätte, in dem ich mich verkriechen konnte.
    Kaum eine Stunde später kehrte Candelaria wieder zurück. Kurz zuvor und kurz danach tröpfelten auch die Pensionsgäste herein, denen hier Unterkunft und Verpflegung geboten wurde. Zu dem Panoptikum an Gästen zählten ein Vertreter für Friseurbedarf, ein Postbeamter, ein pensionierter Lehrer, zwei ältliche Schwestern, vertrocknet wie gepökelter Thunfisch, und eine dünkelhafte Witwe mit einem Sohn, den sie Paquito rief, obwohl der Bursche seinen Stimmbruch schon längst hinter sich hatte und ihm bereits ein ansehnlicher Flaumbart spross. Alle begrüßten mich höflich, als die Hauswirtin mich vorstellte, und danach setzten sich alle schweigend an den Tisch, jeder auf den ihm zugewiesenen Platz: Candelaria präsidierte, der Rest verteilte sich an den Seiten. Auf der einen Seite die Frauen und Paquito, gegenüber die Männer. » Du sitzt an der anderen Stirnseite«, befahl sie mir. Sie begann den Eintopf zu servieren, wobei sie ohne Pause plapperte, wie teuer das Fleisch geworden sei und wie süß dieses Jahr die Melonen gerieten. Sie richtete ihre Kommentare an niemanden konkret, und dennoch schien sie ein ungeheures Bedürfnis zu haben, in einem fort zu schwatzen, so banal die Themen und so gering das Interesse der Tischgäste auch sein mochten. Ohne ein

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