Das Echo der Vergangenheit
die Obhut ihrer Familie entlassen. Mein Chef wird vermitteln und sie werden alle gemeinsam eine Lösung finden.« Seine Stimme klang gepresst, während er aussprach, was er selbst nicht glaubte. »Wir kommen in zehn Minuten rüber.«
»In Ordnung.« Sie ging in den Garten hinaus, wo Star die kleine Annie erstaunlicherweise zum Lachen und Spielen gebracht hatte. Elaine sah ihnen von der Bank aus mit einem abwesenden Blick zu, in dem vielleicht Erinnerungen an ihr eigenes kleines Mädchen lagen, obwohl Rese nicht so blond und hellhäutig war.
»Ich störe nur ungern, aber sie kommen, um Annie abzuholen.«
»Diese Idioten.« Star behielt ihre einbeinige Pose bei, als wäre sie erstarrt, und bewegte sich dann langsam und ruckartig wie eine Puppe. Annie lachte. Was für ein zauberhafter Klang.
»Komm, Süße. Wir müssen dich umziehen und fertig machen.«
Als sie kamen, hatte Sofie alles vorbereitet und wartete mit Annie und dem Plüschhasen, den Matt mitgebracht hatte. Sie küsste das Kind auf den Kopf und flüsterte mit ausgedörrter Kehle: »Du bist geliebt. Du bist schön. Du bist ein Kind Gottes.«
Annie hob das Gesicht zu ihr auf und gab ihr einen süßen Kuss direkt auf den Mund. Tränen brannten. Sie übergab die Kleine an Gail, eine korpulente Frau um die Vierzig, die so etwas schon häufiger gemacht hatte. Trotzdem sagte Sofie: »Wenn ich noch irgendetwas tun kann …«
Gail nickte. »Machen wir den Übergang so kurz und schmerzlos wie möglich.«
Sofie setzte das Kind in den Autositz in Matts Wagen, aber er überraschte sie beide, als er Gail den Schlüssel reichte. »Mach du das. Bring mir den Wagen wieder, wenn du sie abgeliefert hast.«
»Du kommst nicht mit?«
»Das ist deine Entscheidung.«
»Es ist die Entscheidung von Richter Harrel. Persönliche Gefühle dürfen unsere Entscheidungen nicht beeinflussen.«
Matt nickte. »Bis später.«
Sie presste die Lippen zusammen. Annies Schluchzer drangen vom Rücksitz nach draußen. Wann hatte sie angefangen zu weinen? Sofie presste die Hand auf ihr Gesicht, als der Verlust sie überwältigte, während der Wagen davonfuhr.
Matt fing sie auf und zog sie in seine Arme. »Lance hatte recht. Ich hätte sie nicht herbringen dürfen.«
Die beiden Situationen verschmolzen in ihrer Wahrnehmung und sie stöhnte: »Carly.«
Er strich ihr übers Haar. »Das ist nicht Carly, Sofie. Das ist Annie Price.«
Sie schüttelte den Kopf. »Carly hat angerufen. Sie ist in Schwierigkeiten.«
Er sah sie prüfend an.
»Ich habe auf ihren Rückruf gewartet, als du vorhin angerufen hast.«
»Aber du hast nichts mehr von ihr gehört?«
Sie schüttelte den Kopf. Sie hätte längst von ihr hören müssen. Was, wenn dieser Hilferuf das Letzte war, was sie jemals von ihrem kleinen Mädchen hören würde? »Sie wollte, dass ich sie von der Schule abhole, und sie konnte Eric nicht anrufen.«
»Das ist nicht gerade ein Notfall.«
»Sie konnte Eric nicht anrufen, weil etwas nicht stimmt.« Es war in Carlys Stimme zu hören gewesen. Eine Anspannung. »Ich muss hinfahren.«
»Sofie.«
»Ich hätte New York nie verlassen dürfen.« Sie entzog sich ihm und ging hinein. »Dann wäre ich da gewesen, als sie mich brauchte.«
»Du wusstest ja nicht einmal, dass sie überhaupt noch dort ist.« Er folgte ihr hinein, ohne dass sie ihn dazu aufgefordert hätte. »Sprich wenigstens mit Lance. Hör dir an, was er sagt.«
Sie ging die Treppe hinauf. Es spielte keine Rolle, was Lance oder sonst jemand sagte. Carlys Anruf war nicht einfach die Bitte um eine Mitfahrgelegenheit gewesen. Etwas war geschehen, das so schlimm war, dass sie nicht allein damit fertig wurde. Sofie zog einen ihrer Koffer aus dem Schrank und registrierte kaum, welche Kleider sie zusammenfaltete und hineinlegte.
»Du hast keine rechtliche Handhabe.«
»Ich weiß aber, wo ihre Großmutter lebt.« Wenn Carly sie angerufen hatte, wenn Beth sie abgeholt hatte, dann würde sie vielleicht, nur vielleicht, ihr kleines Mädchen wiedersehen.
Er atmete hörbar aus, hob die Arme und ließ sie wieder sinken. »Also gut. Wenn du entschlossen bist, fahre ich dich zum Flughafen.«
»Das wäre nett, danke.« Sie warf ihm einen dankbaren Blick zu.
»Aber zuerst halten wir bei mir. Ich komme mit.«
»Was?« Sie warf ihre Kosmetika in einen Beutel und richtete sich auf. »Warum?«
»Vielleicht kann ich vor Ort beim Jugendamt etwas ausrichten.«
»Aber du hast die Sache mit Annie hier.«
»Für sie ist jetzt Gail zuständig.
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