Das Echo der Vergangenheit
erster Bissen ließ ihn unwillkürlich aufstöhnen. Antonia lächelte. Er vermutete, dass das für sie nichts Neues war, aber trotzdem schien sie sich über seine Reaktion zu freuen.
Ohne Lance hatte die Mahlzeit einen etwas anderen Tenor, aber er kam sich als einziger Mann nicht seltsam vor. Sie waren nur Menschen, die gemeinsam aßen und Zeit zusammen verbrachten, die er wie ein kostbares Andenken aufbewahren konnte. Anschließend half er den anderen beim Abräumen, Abwaschen und Wegstellen, während Nonna mit Annie auf dem Schoß in ihrem Sessel saß.
»Das Grüne zum Grünen«, erklärte Elaine ihm, als er Makkaroni in eine Dose füllte, um sie mitzunehmen. »Sehr wichtig.«
»Psychologische Tests«, murmelte Sofie, als sie an ihm vorbeiging. »IQ oder deduktives Denken, würde ich mal vermuten. Diese spezielle Sache ist offenbar hängen geblieben.«
Er lächelte Elaine zu. »Ist gut. Danke.«
»Sie beobachten uns immer.«
Er nickte. »Ich werde aufpassen.«
Als sie mit dem Aufräumen fertig waren, brachte Sofie ihn zur Tür. »Danke, dass du vorbeigekommen bist.«
»Das ist besser als alles andere, was ich tun könnte. Aber vielleicht hast du ja etwas anderes zu tun.«
»Nichts Wichtiges.« Sie nahm seine Hände. »Im Moment brauchte Annie so viel Liebe und Zuwendung wie möglich.«
»Ich wusste, dass sie das hier bekommen würde.«
»Übrigens meinte ich das nicht so, als ich sagte, du hättest sie nicht herbringen sollen. Ich will nur nicht, dass sie verletzt wird oder verängstigt ist. Ich hatte eine so wundervolle Kindheit, da wünschte ich … Ich weiß, das ist etwas, was man nicht bei jedem Kind erwarten kann.«
»Noch nicht.« Vielleicht in der neuen Schöpfung, die Lance beschrieben hatte, eine Welt, in der die Dinge gut sind und die gerecht regiert wird. Aber im Moment … »Wir können nur tun, was wir können.«
Sofie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. »Geh und rette die Welt, Superman.«
Kapitel 28
Carly wartete noch lange, bis sie ganz sicher war, dass Dad eingeschlafen war. Sollte sie es wagen, ihr Glück zwei Nächte hintereinander herauszufordern? Sie war wieder ins Bett gegangen, nachdem Paula erschienen war, erschöpft von der Anstrengung, herauszufinden, was los war. Aber als sie kurz davor war einzuschlummern, hatte ein Gedanke sie wie ein Messer durchbohrt. Wenn die erste Schachtel mit Andenken an Sofie gefüllt war, waren in der anderen dann Fotos und Erinnerungsstücke an ihre Mutter?
Allein bei dem Gedanken daran hatte sie Bauchschmerzen. Sie musste es einfach wissen. Beim ersten Mal hatte er die Kartons nicht woanders hingetan, aber das konnte er jederzeit tun. Dann musste sie sie erst wieder finden oder – noch schlimmer – vielleicht fand sie dann nie heraus, was sich in der zweiten Schachtel befand. Entschlossen setzte sie sich im Bett auf. Sie musste es tun. Sie konnte ja sagen, sie habe Hunger. Den ganzen Tag hatte sie kaum etwas gegessen, weil die Situation so merkwürdig war und sie so getan hatte, als wäre sie krank. Er würde ihr glauben, dass sie inzwischen Hunger bekommen hatte.
Leise öffnete sie die Tür ihres Zimmers und lauschte. Daddys Schnarchen klang leise und ungleichmäßig. Ob er sich nur schlafend stellte? Sie schluckte ihre Angst hinunter und trat auf den Flur hinaus. Er hatte Paula zum Abendessen bleiben lassen, aber es war noch zu früh, um sie über Nacht dazubehalten. Er würde ihre Hilfe noch sehr viel öfter in Anspruch nehmen, bevor er sie in dem Glauben ließ, es wäre ihm ernst.
Sie schob sich an der Wand lang, bis sie gegenüber von seiner Tür stand. Er machte sie nie zu. Sein Schnarchen endete in einem leisen Grunzen. Sie erstarrte. Spürte er etwa, dass sie hier stand? Sie konnte seine Augen im Dunkeln nicht sehen. Ihr Herz hämmerte. Es konnte sein, dass er sie direkt ansah. Beweg dich . Sie löste sich von der Wand und ging leise, aber ganz normal in die Küche.
Sie durfte nicht so aussehen, als würde sie etwas verheimlichen, denn dann würde er es sofort durchschauen. Er würde wissen, warum. Er wird es sowieso wissen! Sie musste es riskieren, musste den Inhalt dieser Schachtel sehen. Zwar vermisste sie ihre Mutter nicht so, wie sie Sofie vermisste, schließlich hatte sie ihre Mutter nie kennengelernt. Aber sie würde gerne wissen, wie sie aussah. Es gab kein einziges Bild von ihr.
Sie legte die Hände auf die Arbeitsplatte, sprang auf die Küchenzeile und stieß sich dabei am Knie. Sie unterdrückte den
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