Das Echo der Vergangenheit
gesagt, sie würde sich melden, wenn sie ihn bräuchte. Aber das tat sie nicht. »Selbst wenn du da wärest, was könntest du tun, Lance?«
»Ich würde gerne auf Sofie aufpassen und dafür sorgen, dass nichts und niemand ihr wehtut.«
»Du hast die Dinge gerne unter Kontrolle.«
Das konnte er nicht leugnen. »Und Gott weiß, dass ich die Kontrolle übernehme, wenn es sonst niemand tut.« Er hob ihre Finger an seine Lippen. »Also, wollen wir zusammen beten?«
Ihr Unbehagen war deutlich zu erkennen. Gott war in ihren Arbeitsplatz eingedrungen, den Raum, den sie wie keinen anderen hütete. Aber es war richtig. Es war nötig.
»Wofür beten wir?«
»Für Matt.« Er sagte es, ohne lange darüber nachzudenken. Es kam einfach heraus. Er schloss die Augen und stellte sich den Mann vor, den Sofie in ihr Leben gelassen hatte. Er hatte doch keinen Glauben, der ihm Halt gab.
Lance drückte die Hände von Rese. Eigentlich hatte er das Bedürfnis verspürt, für Sofies Bewahrung zu beten, aber jetzt lag ihm Matt auf der Seele.
Als er nach dem Gebet aufblickte, fiel sein Blick auf Rese, die immer noch ins Gebet vertieft war. Hörbar stieß er die Luft aus. »Ich liebe dich so sehr.«
Da öffnete sie die Augen. »Amen?«
Ein Lächeln kam aus seinem Herzen. »Stimmt.« Er hatte es nicht so mit Formalitäten. »Danke, Rese. Du weißt gar nicht, was mir das bedeutet.«
»Doch, ich glaube schon.« Sie beugte sich vor und gab ihm einen Kuss. Zuneigungsbekundungen am Arbeitsplatz – noch ein Durchbruch. »Glaubst du, du kannst jetzt den Boden fertig schleifen?«
»Du kannst hervorragend motivieren.«
Sie verdrehte die Augen. »Gewöhn dich besser nicht dran.«
* * *
»Sir?«
Matt zuckte zusammen.
»Wollen Sie diesen Rückflug buchen?«
Er sah die Frau am Ticketschalter an, die die verschiedenen Flüge auf dem Computerbildschirm hatte erscheinen lassen. Er schluckte. Eine Berührung ihres Fingers und er wäre auf dem Heimweg – durch die Sicherheitskontrolle und in das Flugzeug, zurück zu seiner Arbeit und zu seinem Leben.
Die Leute in der Schlange hinter ihm wurden unruhig. Zu Sofie hatte er gesagt, er würde es nicht zulassen, dass sie sich selbst Schaden zufügte, und jetzt ließ er sie in einer Situation zurück, in der genau das geschehen würde. Was, wenn es doch noch etwas gab, das er tun konnte? Nicht zu seinem eigenen Nutzen, sondern nur für sie.
Hatte es geholfen, Jacky zu sagen, er solle sich den Dingen wie ein Mann stellen? Wenn Sofie sich nicht selbst helfen konnte, würde er sie auch vor einen Zug laufen lassen? Er sah die Frau an, blickte auf die Uhr, nahm dann seinen Koffer und trat aus der Schlange.
Sofies Gesicht erschien vor seinem inneren Auge. Ihre Miene, als sie zu ihm gesagt hatte, er solle gehen, war wütend gewesen, aber hinter der Wut hatte Resignation gelegen, die Art, die keinen Ausweg sah. »Wenn es keinen Richter über Gut und Böse gibt, was unterscheidet dann moralische von unmoralischen Entscheidungen?«
Hatte sein Argument, dass Dinge einer Gesellschaft oder einzelnen Menschen entweder schadeten oder nutzten, ohne dass es ewige Folgen hatte, das letzte Hindernis für Entscheidungen beseitigt, die sich als gefährlich und selbstzerstörerisch erweisen konnten? Wenn sie glaubte, dass sie Carly um jeden Preis helfen musste ... Sein Magen zog sich zusammen. Er war vor Eifersucht blind gewesen. Wenn sie Eric nicht vergessen konnte, dann hatte er sie vergessen wollen. Er war sogar sauer auf das kleine Mädchen gewesen.
Matt hob die Hand, um ein Taxi heranzuwinken. Wo waren seine hehren Ideale jetzt? Er hatte sich genauso verhalten wie sein Vater, indem er versucht hatte, Sofie hart genug zu machen. Sie sollte in der Lage sein, Nein zu sagen, loszulassen. Wo es doch gerade ihre Weichheit, ihr Mitgefühl, ihre Hingabe waren, die ihn so tief berührt hatten.
Die Fahrt mit dem Taxi dauerte endlos. Der Verkehr bildete eine feste Mauer. Der Fahrer sprach kein Englisch und kannte keine anderen Routen. Matt ballte die Hände zu Fäusten und löste sie wieder, während er zum ersten Mal seit Jahren wünschte, es gäbe jemanden, an den er sich wenden konnte, der helfen konnte. Matt konnte sich nicht daran erinnern, dass sein Dad jemals gebetet hatte, außer in Gegenwart von wichtigen Personen.
Er rieb sich die Schläfen. Auf dem Rücksitz des muffigen Taxis suchte er nach Worten, um zu einem Wesen irgendwo da draußen durchzudringen, das vielleicht doch zuhörte. »Gott hilf mir«,
Weitere Kostenlose Bücher