Das Echo der Vergangenheit
hatte sie eine Wahl und sie würde Carly nicht loslassen. Und egal wie er es auch betrachtete, er witterte Ärger.
Vielleicht musste er sie nicht nur vor Eric, sondern auch vor sich selbst beschützen. Also gut. Er würde es tun, so wahr ihm Gott half. Und wenn er kein besseres Gebet hinbekam, würde Gott es vielleicht trotzdem hören.
Er strich ihr übers Haar. »Du musst mir vertrauen, Sofie. Und ich will dir vertrauen.«
Sie antwortete ihm nicht – wahrscheinlich wollte sie nicht lügen, vermutete er. Aber er hatte sich so weit vorgewagt, wie er konnte, und durfte ihr nun keinen Druck machen. Er hob ihr Kinn und sah ihr in die Augen. »Unten roch es nach Essen. Meinst du, wir können Carly dazu bringen, dass sie etwas isst?«
Sofie lächelte schwach. »Wenn irgendjemand es kann, dann Mama. Bei ihr ist es einfacher, Ja zu sagen.«
Er fragte sich, ob ihr die Parallele bewusst war. Es spielte keine Rolle. Er war da, um ihr beim Neinsagen zu helfen. Sie griff nach dem Türknauf, aber er hielt sie am Arm zurück. »Es tut mir leid. Das von vorhin.«
Sie nickte. »Mir auch.« Die Traurigkeit in ihrer Stimme ließ vermuten, dass sie mehr meinte als nur ihren Streit an diesem Tag.
* * *
Sofies Mutter war ganz anders als Grandma. Sie redete viel. Und sie umarmte einen ständig. Sie machte Spaghetti. Jede Menge davon. Und große Fleischbällchen. Und matschige grüne Bohnen, auch wenn sie sagte: »Die musst du nicht essen. Nimm noch von den Spaghetti. Und Eis zum Nachtisch. Lass noch Platz für das Eis.«
Sie sollte noch mehr essen und gleichzeitig Platz lassen? Carly lächelte und seit Langem tat ihr der Magen nicht weh.
»Du bist genauso dünn wie Sofie früher. Ich habe immer zu ihr gesagt: ‚Iss‘, aber sie hat geantwortet: ‚Ich bin satt genug für drei Sofies, Mama.‘«
Carly genoss es, Geschichten über Sofie als Kind zu hören. So als wäre sie ihre echte Mutter und Doria ihre echte Großmutter. Aber bei dem Gedanken tat ihr der Bauch wieder weh, weil sie daran denken musste, wie Grandma Beth gefallen war. Tu es einfach nicht. Tu so, als wäre das hier alles echt . Weil es alles war, was sie bekommen würde, und weil die Tränen zu schnell kamen.
Sofie hatte sie nicht angeschrien, obwohl sie Daddy angerufen hatte. Sie hatte sie mit ihren traurigen, traurigen Augen angesehen, so als wüsste und verstände sie, wie es sein musste. Das Gefühl, das sie jetzt in ihrer Brust verspürte, war die tiefste Liebe, die sie jemals empfunden hatte. Und dass Sofie diese Liebe erwiderte, tat nicht weh.
Sie starrte auf ihren Teller, weil ihr trotzdem die Tränen gekommen waren, und sie versuchte sie fortzublinzeln, bevor jemand sie sah. Sie war es leid, sich zu verstecken. Nur einmal wollte sie, dass alles in Ordnung war. Aber sie konnte doch nicht so tun, als wäre alles in bester Ordnung. Nichts war in Ordnung. Nie war etwas in Ordnung.
Ihre Bauchschmerzen wurden schlimmer. Daddy würde furchtbar wütend sein. Jemand würde verletzt werden. Sofie? Diesen Gedanken konnte sie nicht ertragen. Vielleicht konnte Sofie ihn daran hindern, jemandem wehzutun. Vielleicht konnte sie es wirklich. Würde er nicht alles andere vergessen, wenn er Sofie wiederhatte? War ihm das nicht genug? Es musste einfach genug sein. Es musste.
»Eis, Carly?«
Sie blickte auf und schüttelte den Kopf. »Mein Bauch tut weh.«
* * *
Eine Weile hatte Carly fröhlich gewirkt, hatte sogar mit Mama herumgealbert. Aber nun hatte sich scheinbar die ganze Last wieder auf sie gesenkt. Ihre Bauchschmerzen waren beunruhigend und Matt könnte recht haben. Sie und Mama hatten bei ihren Tanzschülerinnen immer nach Anzeichen für Essstörungen Ausschau gehalten und dieses Verhalten hätte alle Alarmglocken schrillen lassen. Sie bezweifelte, dass Carly ein Problem mit ihrem Körperbild hatte. Wahrscheinlicher war, dass das Mädchen einfach verschwinden wollte.
Sie erinnerte sich allzu gut an dieses Gefühl. Brauch mich nicht so sehr. Sieh in mir nicht das, was in dir selbst fehlt. Ich kann nie genügen . Wie hatte Carly das nur ertragen? Indem sie Essen in sich hineinschlang und es anschließend wieder von sich gab?
Sie würde mit ihr reden müssen. Bulimie hatte schädliche Auswirkungen auf den Körper, die nicht sichtbar waren – ein Ungleichgewicht der Elektrolyte und eine Belastung wichtiger Organe. Allerdings hatte Carly beim Abendessen nichts in sich hineingeschlungen. Sie hatte so normal gegessen, wie man es bei Mamas ständigem
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