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Das Echo der Vergangenheit

Das Echo der Vergangenheit

Titel: Das Echo der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Heitzmann
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hätte sie nicht für eine Akademikerin gehalten. Sie war zu – Cassinia würde ihm für diesen Gedanken die Ohren lang ziehen – sinnlich. Der mediterrane Teint, die hohen Wangenknochen und die vollen Lippen. Vor allem aber ihre exotischen Augen. Welcher Student würde sich auf ihre Vorlesungen konzentrieren?
    Sie sagte: »Sie haben wahrscheinlich etwas Ähnliches studiert, oder?«
    »Ich habe mit Jura angefangen. Zur Sozialarbeit bin ich durch die Hintertür gekommen.«
    »Haben Sie denn als Anwalt gearbeitet?«
    »Eine Weile. Während dieser Zeit gab es nichts außer Arbeit. Ein Privatleben hatte ich nicht.«
    »Und dann?«
    »Dann dachte ich, es wäre besser, eine Arbeit zu haben, mit der man tatsächlich etwas Gutes erreichen, etwas in dieser Welt verändern kann.«
    Sie lächelte. »Sie klingen wie Lance.«
    Er zuckte zusammen. »Ich vollbringe aber keine Wunder.«
    »Woher wissen Sie das?«
    Er sah sie im Rückspiegel an. »Weil es keine Wunder gibt.«
    Das Wartezimmer des Arztes war überfüllt mit hustenden und verschnupften Kindern. Es gefiel ihm gar nicht, den Kleinen diesen Keimen auszusetzen, aber das Gesetz schrieb eine medizinische Untersuchung vor. Er hatte die Geburtsurkunde mit der Bezeichnung »Männlicher Säugling« ausgestellt und eine Sozialversicherungsnummer beantragt, damit er im System registriert werden konnte, um seine Versorgung zu sichern. Wenn Maria zurückkam, war ihr Kind wenigstens registriert, wenn auch immer noch namenlos. Und wenn sie nicht zurückkam? Dann würde der Kleine das System durchlaufen.
    Sie wurden aufgerufen und er und Sofie sahen zu, wie das Baby gewogen und gemessen, Ohren, Augen und Reflexe untersucht wurden. Als der Arzt den Kleinen mit einem Stethoskop abhörte, fragte Matt: »Alles in Ordnung mit der Atmung und der Lunge?«
    »Ja. Warum?«
    »Es gab Sorgen bezüglich eines Atemstillstands direkt nach der Geburt.«
    Er hörte ihn noch einmal ab. »Alles normal. Ich habe nicht den Eindruck, dass mit der Atmung irgendetwas nicht in Ordnung ist.«
    Auf der Fahrt zurück sagte Sofie: »Denken Sie eigentlich, wir hätten die Sache mit dem Atemstillstand nur erfunden?«
    »Nein, nein ich wollte nur eine ärztliche Meinung hören.«
    »Um Ihre Zweifel zu bestätigen. Ich verstehe Ihre Skepsis ja. Bei Ihrer täglichen Arbeit gibt es keinen Platz für Wunder.«
    Er hätte es selbst nicht besser ausdrücken können. Das Leben war kein Zauberkunststück. Und er wusste nicht, wie jemand mit Sofies Intelligenz darauf hereinfallen konnte. Offenbar gab es eine Menge Dinge, die er nicht wusste. »Hat Ihr Bruder noch mehr Wunder vollbracht?«
    »Er hat Nonna ins Leben zurückgeholt.«
    Sein Kopf fuhr herum. »Wie bitte?«
    »Glauben Sie an Gott?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Und deshalb glauben Sie auch nicht an Wunder. Aber Lance hat einen tiefen Glauben.«
    »Er ist also ein Prophet oder so etwas?«
    Ein Lächeln funkelte in ihren Augen. »Er würde sich eher als einen Versager bezeichnen.«
    Sie forderte ihn heraus. Er schlug das Lenkrad ein und beschleunigte, während sie über die Kreuzung fuhren. »Und was ist er jetzt? Ein Heiliger oder ein Sünder?«
    »Beides.«
    »Das müssen Sie mir erklären.«
    »Die Fehler meines Bruders arbeiten in ihm wie Hefe, sie durchdringen seine Gedanken und sein Handeln mit Mitgefühl und Anständigkeit und dem tiefen Wunsch, Gott die Ehre zu geben. Angenommen, es gibt einen Gott und er will Wunder tun, dann ist Lance mit seinem ganzen Herzen dabei.«
    Matt parkte vor dem Haus, konnte aber einer letzten Frage nicht widerstehen. »Was meinten Sie damit, dass er Ihre Großmutter ins Leben zurückgeholt hat?«
    Sofie schnallte sich ab und erzählte ihm in den nächsten zehn Minuten eine Geschichte, die er nur schwer glauben konnte – eine Generationenfehde, Killer, Verfolgungsjagden und lang verborgene Geheimnisse. Die Askese, die ihr Bruder geübt hatte, um sich auf die Beendigung dieser Auseinandersetzung vorzubereiten, die wie eine schwere Last über ihrer Familie lag, erklärte seinen ausgezehrten Zustand. Und Matt hatte recht gehabt, was den Schlaganfall der Großmutter betraf. Ihre sogenannte Auferstehung war in Wirklichkeit eine Genesung, unerwartet und überraschend, aber nicht übernatürlich. Sofie hatte ihn bewusst provoziert.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht behaupten, dass mich das überzeugt.«
    »Sie müssen es ja nicht glauben.«
    »Das alles lässt sich auf menschlicher Ebene erklären. Das gilt übrigens für die

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