Das Echo der Vergangenheit
wichtig ist.«
»Und was ist wichtig?«
Er dachte einen Moment nach. »Geld jedenfalls nicht. Was das betrifft, war ich in meiner Kanzlei in Boston auf dem besten Wege, mit einem teuflischen Stundenlohn. Jetzt verdiene ich genug, um über die Runden zu kommen. Natürlich hatte ich nicht viel Gelegenheit, das auszugeben, was ich verdient hatte, deshalb ist das meiste davon gut angelegt und vermehrt sich.«
»Zeit ist also wichtiger als Geld.«
»Das hängt davon ab, wie man sie verbringt. Früher war kaum daran zu denken, dass ich noch etwas anderes tue, als zu arbeiten. Samstagabends hatte ich in meinem Kalender Verabredungen stehen und ich konnte mich manchmal kaum noch erinnern, mit wem und wo.«
Sofie sah ihn verblüfft an. »Das klingt nicht so …«
»Als würde es zu mir passen?«
Sie nickte.
»Tut es auch nicht. Ich war den Erwartungen eines anderen Menschen ausgeliefert.«
»Oh.« Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, wusste sie genau, wie das war.
Er streckte die Hand aus und berührte ihre Finger. »Was ist dir wichtig?«
»Familie. Glaube. Freude.«
»Und das hast du alles?«
»Ein bisschen von allem.«
Sein Daumen fuhr über ihre Fingerknöchel. »Ist da noch Platz für etwas anderes?«
Die Bedienung kam mit dem Dessert-Tablett. Sofie lehnte dankend ab, aber er überredete sie, sich mit ihm einen gefüllten Schokoladenkuchen mit Brandykirschsauce und Crème fraîche-Eis zu teilen. »Wenn er dir nicht schmeckt, opfere ich mich und esse den ganzen Kuchen allein.«
Sie lachte. »Und wenn ich ihn mag?«
»Dann entscheiden wir durch Armdrücken, wer die größere Hälfte kriegt.«
»Du würdest dich wundern«, sagte sie und kniff die Augen zusammen.
»Oh, ich bin mir sicher, dass du ein starkes Mädchen bist, schließlich bist du Tänzerin und all das. Aber ich fürchte, es wäre kein fairer Wettkampf.«
Sie streckte das Kinn vor. »Ich komme aus der Bronx.«
»Und das bedeutet …«
»Es gibt Mittel, wie man gewinnen kann, ohne die meiste Kraft zu haben.«
»Zum Beispiel?«
»Druckpunkte.«
Er lehnte sich zurück und musterte sie von Kopf bis Fuß. Es gab auch emotionale Druckpunkte, die einen so lähmen konnten, dass man da-ran kaputt ging. Sie hätte beinahe kapituliert, aber jetzt war sie auf dem Weg der Besserung. Jedenfalls musste er das glauben. »Danke für die Warnung.« Er lächelte, war sich aber sicher, wenn es hart auf hart kam, würde er ihren Arm ohne jede Mühe umlegen.
Die Bedienung brachte einen verführerischen Nachtisch und legte zwei Gabeln dazu. Er reichte Sofie eine und nahm die andere. »Auf die Plätze, fertig, los!« Aber er überließ ihr den ersten Bissen.
Sie schloss die Augen. »Also, dafür lohnt es sich zu kämpfen.«
Er lächelte. »Ich kann noch einen bestellen.«
»Nein.« Genüsslich leckte sie die Gabel ab. »Manchmal ist weniger mehr.«
»Also das ist so ein Ausdruck, bei dem man sich irgendwie blöd vorkommt. Wie kann weniger mehr sein? Es kann besser, klüger oder auch effizienter sein. Aber es muss mehr irgendwas sein, nicht einfach nur mehr.«
Sie lächelte. »Möchtest du noch mehr?«
»Weniger geht ja wohl nicht.«
»Das hängt davon ab, wovon weniger. Weniger als ich oder weniger als das, was du schon gegessen hast?«
»Und das« – er zeigte mit seiner Gabel – »hängt davon ab, was du unter mehr verstehst.«
Sie nahm genüsslich den Bissen von ihrer Gabel und leckte mit der Zunge die Schokoladenkrem von ihren Lippen. Ihm war zumute, als wäre er eine Rakete, die auf allen Zylindern brannte. Nicht gut. Er könnte sich hinreißen lassen, aber mit Sofie musste er behutsam umgehen. Er riss sich zusammen und nahm noch einen Bissen, obwohl er ihr viel lieber dabei zugesehen hätte, wie sie jedes einzelne Stück genoss.
* * *
Carlys Hände waren schweißnass. Wie feige von ihr! Sie wischte sie an ihrer Jeans ab und nahm dann das Handy wieder in die Hand. Tu es einfach. Sie gab die Nummer ein. Die Verbindung wurde aufgebaut. Es klingelte. Ihr Herz raste. Heute würde es geschehen. Diesmal würde sie es tun. Denn sie war es leid, allein zu sein, einsam zu sein.
»Hallo?«
Carly schluckte. »Hi.«
»Wer ist da?«
Sofie klang etwas skeptisch, so als erwarte sie, dass die Verbindung wieder unterbrochen wurde. Bevor sie den Mut verlor, sagte sie: »Carly.« Sie hörte, wie die Frau am anderen Ende der Leitung scharf die Luft einsog, und hoffte, dass Sofie nicht auflegen würde.
»Carly?« Es war beinahe ein Flüstern. Und es
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