Das Echo des Bösen: Soul Seeker 2 - Roman (German Edition)
wie es bei dir sein wird. Doch eines nach dem anderen.«
Ich blicke ihn an und fühle mich bereit zu allem, was er mir beibringen will.
»Ich werde etwas mit dir teilen, was lange verboten gewesen ist. Etwas, was mich mein Bruder Jolon gelehrt hat, was ihn aber niemand gelehrt hat. Er hat es einfach intuitiv aufgenommen , wie nur Jolon es konnte. In der Hinsicht war er sehr stark.« Leftfoot versinkt in Erinnerungen, ehe er sich wieder mir zuwendet. »Ich werde dich Seelenspringen lehren. Wie du in das Wesen eines anderen Menschen eintauchen kannst, indem du mit seiner Energie verschmilzt, sodass du die Erfahrungen anderer teilen kannst. Du wirst sehen, was sie sehen, hören, was sie denken. Und die wenigen, die dies meistern, können außerdem großen Einfluss auf die Betreffenden ausüben.«
Obwohl ich unbedingt lernen will, machen mich seine Worte stutzig. Mit offenem Mund stehe ich schweigend vor ihm, bis ich mich wieder gefasst habe. »Du machst Witze, oder ? Wie soll das denn möglich sein ?«
»Oh, es ist möglich.« Leftfoots Miene und seine Stimme bleiben völlig gelassen. »Ganz ähnlich wie du deine Energie vorhin mit den Vögeln und den Schlangen verschmolzen hast, um ihre Erfahrung zu teilen, wirst du jetzt lernen, das Gleiche mit einem Menschen zu tun.«
Ich schließe die Augen und versuche es mir auszumalen. Stelle mir vor, einen Seelensprung in Cade hinein zu tun.
Wie wäre es, in diesen dunklen, hohlen Kern zu blicken und die Geheimnisse seines Wesens zu lernen – sich auf die Suche nach seinen Schwachpunkten zu machen ?
Genau auf so etwas hatte ich gehofft.
Es verändert auf jeden Fall die Spielregeln.
Wenn ich nur hineingelangen und einen Blick auf die dort lauernde Finsternis werfen kann, weiß ich genau, wie ich mein Wissen nutzen muss, wenn es an der Zeit ist. Vielleicht eigne ich mir auch selbst ein Stück davon an. Wenn meine Liebe zu Daire ihn stärkt, dann funktioniert das doch sicher auch andersherum ? Bestimmt könnte ich mich doch mit seiner Bösartigkeit wappnen ?
Ich sehe Leftfoot an, begierig darauf anzufangen. Sicher wird sich das als weitaus nützlicher erweisen, als mithilfe dieses Rotschwanzbussards über der Landschaft zu schweben, so faszinierend das auch war.
»Es gibt allerdings einen Vorbehalt … Du darfst nie einem anderen Menschen zeigen, was du gelernt hast – nicht einmal Daire.« Er hält so lange inne, bis ich zustimme, und fährt dann erst fort. »Und du darfst die Gabe nie missbrauchen. Niemals . Ich kann das gar nicht genug betonen. Du benutzt die Gabe ausschließlich dann, wenn du der festen Überzeugung bist, dass es sein muss. Zuerst musst du alle anderen Optionen ausschöpfen. Es darf nur ein letzter Ausweg sein. Die restliche Zeit musst du dein Wissen für dich behalten. Und du musst schwören, es mit ins Grab zu nehmen. Nicht einmal Chepi und Paloma ahnen, dass ich das beherrsche. Wie ich bereits erwähnt habe, ist es schon seit Jahren verboten.«
»Ich sag’s niemandem. Ich schwöre es.« Die Beteuerung klingt selbst in meinen Ohren ein bisschen übereifrig, was vermutlich der Grund dafür ist, dass mir Leftfoot einen skeptischen Blick zuwirft.
»Es steckt noch mehr dahinter.« Er zieht die Brauen zusammen und blickt in die Ferne. »Etwas, von dem ich hoffe, dass es illustriert, wie ernst das alles ist …«
Ich warte darauf, dass er es mir verrät, aber eigentlich will ich jetzt anfangen.
»Leandro hat Jolon nicht umgebracht.«
Ich starre Leftfoot an. Seine Worte haben mich schockiert.
»Diese Geschichte tut Jolon unrecht. Allerdings habe ich nie versucht, ihn in Schutz zu nehmen, weil die Wahrheit noch viel schlimmer ist.«
Er wendet sich denSangre-de-Cristo-Bergen zu und verzieht das Gesicht, als er den fehlenden Schnee auf den Gipfeln registriert. Oder vielleicht gilt seine Grimasse auch nur dem, was er als Nächstes sagen will. Bei Leftfoot weiß man nie.
»In Wirklichkeit war Jolons Abwehr viel zu stark für Leandro, und Leandro war zumindest klug genug, um das zu wissen. Als Chepi an diesem Tag geschändet und misshandelt nach Hause kam, beschloss Jolon, die verbotene Kunst zu nutzen, mit der wir als Kinder nur gespielt hatten, um in Leandros Innenwelt einzudringen. Er hielt sich lange genug darin auf, um die Inhalte dieses elenden, verkommenen Lebens zu ergründen – einschließlich der schrecklichen, an Chepi verübten Taten. Er glaubte, er könne damit umgehen, und damals war Jolon so stark, dass ich auch darauf gewettet
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