Das Echo des Bösen: Soul Seeker 2 - Roman (German Edition)
hätte. Doch die Vorgänge, die Jolon zu sehen bekam, waren so grauenhaft, dass sie ihn auf eine Weise schwächten, die er nie für möglich gehalten hätte. Er starb, kurz nachdem er den Seelensprung vollzogen hatte. Während also der Kern dieser vielfach erzählten Geschichte derselbe ist – nämlich dass Jolon angesichts der Ereignisse an einem gebrochenen Herzen starb –, hat Leandro in Wirklichkeit Jolon nicht dazu gezwungen, sich das Geschehen vor Augen zu führen. Er hat Jolons Wahrnehmung nicht verändert, wie so oft behauptet wird. Jolon hat den Sprung aus freien Stücken vollführt. Er hat selbst beschlossen, zu den Abgründen von Leandros schwarzer Seele vorzustoßen. Und was er dort gesehen hat, hat ihn das Leben gekostet.«
Ich stehe vor ihm, von seiner Schilderung der Ereignisse reichlich ernüchtert.
»Alle Magie hat ihren Preis. Das darfst du nie vergessen.«
Ich mahle mit dem Kiefer und nicke mit geballten Fäusten, als würde ich ihm zustimmen. Tue ich ja auch.
»Okay«, sagt Leftfoot, endlich überzeugt. »Es funktioniert folgendermaßen …«
Zwanzig
Daire
S o wi e wir Jennika sehen, die mit ihrem Auto vor Palomas Haus geparkt hat, stöhnen wir beide auf – eine lauter als die andere.
»Toll. Geht es also schon los mit dem Feuer.« Ungläubig beobachte ich, wie meine Mutter, an einen unspektakulären Mietwagen gelehnt, dasteht und zornig Ziffern in ihr Handy eingibt. Wahrscheinlich ruft sie bei mir an und erreicht nur die Mailbox, da mein Telefon den größten Teil des Tages ausgeschaltet war.
Als sie uns kommen hört, hebt sie das Kinn. Ihr Gesichtsausdruck wechselt von wütend zu erleichtert, ehe er sich bei total verdrossen einpendelt. »Hallo, Daire«, sagt sie und kommt zu mir herüber. Sie breitet die Arme weit zu einer Umarmung aus, obwohl ihr Auftreten alles andere als einladend auf mich wirkt. »Wo zum Teufel bist du gewesen ?« Abrupt lässt sie mich los. »Ich versuche seit Stunden, dich zu erreichen. Bin sogar an deiner Schule vorbeigefahren, nur um dort zu erfahren, dass du überhaupt nicht aufgetaucht bist. Ich habe mir entsetzliche Sorgen gemacht !« Sie greift nach meinem Zopf und runzelt die Stirn, als ihre Finger nass werden. Schließlich verlagert sie ihre Wut auf Paloma. »Na ?«, knurrt sie sie an.
»Bitte komm doch rein.« Paloma schlägt einen Bogen um Jennika und geht auf die Haustür zu. »Ich mache uns Tee und etwas zu essen, und dann können wir uns alle zusammensetzen und reden. Schön, dich zu sehen.« Sie lächelt Jennika an, doch die schnaubt nur.
Ich werfe Paloma einen verstohlenen Blick zu, der voller Fragen steckt. Wie ist es dazu gekommen ? Wie konnte meine Mom in Enchantment auftauchen, ohne dass ich davon wusste – ohne jegliche Vorwarnung ? Doch Paloma scheint ebenso ahnungslos zu sein wie ich.
»Was willst du hier ?«, frage ich, während ich mich auf einen Stuhl am Küchentisch niederlasse und Jennika bedeute, sich ebenfalls zu setzen, was sie widerwillig tut.
»Ich wollte dich überraschen. Und nach deinem entsetzten Gesichtsausdruck zu urteilen, als du mich gesehen hast, ist mir das auch gelungen.«
Ich ringe um ein Lächeln. Versuche, so zu tun, als wäre ich nicht annähernd so entsetzt, wie sie glaubt. Ein wenig überrascht, aber in erster Linie froh darüber, sie zu sehen.
Was ich auch bin.
Oder zumindest hätte ich es mit einer kleinen Vorwarnung sein können, einem bisschen Vorbereitungszeit. Aber schließlich war Jennika noch nie der Typ, der vorher anruft. Sie liebt Überraschungsangriffe.
»Was ist los, Daire ?« Ihre grünen Augen, fast exakte Ebenbilder der meinen, mustern mich auf diese alles wissende, alles sehende mütterliche Art, bei der mir regelmäßig mulmig wird.
»Warum bist du nicht bei der Arbeit ?«, erwidere ich und nehme den Becher Tee entgegen, den Paloma vor mich hinstellt. So habe ich wenigstens etwas zum Anschauen.
»Wir machen über die Feiertage Pause. Also dachte ich, ich besuche dich mal.«
»Du bleibst über Nacht hier ?«, frage ich und bedauere auf der Stelle meine erschrockene Miene und meinen panischen Tonfall.
Ganz cool, Daire. Lass sie bloß nicht ahnen, dass du in Aktivitäten verstrickt bist, die sie nie gutheißen würde.
»Ich habe mir in der Stadt ein Zimmer genommen.« Sie tippt mit dem Daumen gegen die Teetasse, wobei der Silberring, den ich ihr zum Muttertag geschenkt habe, ein dumpf schepperndes Geräusch erzeugt.
»In Enchantment gibt es Zimmer ?« Ich blinzele und versuche mir
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