Das Echo des Bösen: Soul Seeker 2 - Roman (German Edition)
Lückenlos. Von Anfang bis Ende. Lass bloß nichts aus.«
Ich versuche mich nicht darüber aufzuregen, dass schon wieder jemand dem stetig anwachsenden Club der Leute beigetreten ist, die über mich Bescheid wissen. Was ich bin. Wie ich entstanden bin. Ganz zu schweigen davon, dass ich ihr auf gar keinen Fall alles erzählen werde.
»Ich bezweifele, dass es sich von dem unterscheidet, was Daire dir schon erzählt hat.« Ich fasse nach ihr und will ihr gerade den Randstein hinunterhelfen, als ich ebenso schnell wieder zurückzucke. Xotichl kommt bestens alleine zurecht. Sie braucht meine Hilfe nicht.
»Das kriegt man nur auf eine Art raus.« Ihre Miene ist entschlossen, ihr Kiefer angespannt, ihr Mund verkniffen. Für ein zierliches Mädchen mit einer massiven Behinderung ist sie ganz schön tough.
Außerdem ist sie unheimlich nett.
Sie war der erste Mensch, der mit mir gesprochen hat – nein, falsch – sie war fast der einzige Mensch, der in meinen ersten zwei Jahren an dieser Schule überhaupt mit mir gesprochen hat, bis Daire kam.
Sie ist auch die Einzige, an die Cade nie herangekommen ist. Das hat mir ein bisschen Ehrfurcht vor ihr eingejagt.
Ich helfe ihr in den Pick-up und achte darauf, dass sie gut sitzt, ehe ich auf meiner Seite einsteige. Dann lasse ich den Motor an und fahre rückwärts aus dem Parkplatz.
»Ich warte immer noch …«, sagt sie.
Ich lasse ein paar Autos passieren, dann fädele ich mich in den fließenden Verkehr ein. »Du willst doch nicht wirklich, dass ich das Ganze noch mal herunterbete, oder ? Das bringt doch nichts. Außerdem war abgemacht, dass ich dich nach Hause fahre und du mir erzählst, was du über die Prophezeiung weißt.«
Sie überlegt kurz und tippt sich mehrmals mit einem ihrer winzigen Fingerchen an die Kinnspitze. Sie genießt meine Frustration und kostet den Moment so lange aus, wie sie kann. »Gut«, sagt sie, aber erst, als sie sicher ist, dass ich genug gelitten habe. »Du hast gewonnen. Ich glaube, ich habe alles, was ich wissen muss, von Daire erfahren. Schließlich war sie ziemlich gründlich.«
Gründlich ? Wie gründlich ?
Ich umfasse das Lenkrad fester und mahle so heftig mit dem Kiefer, dass er protestierend knackt. Erst bei Xotichls nächsten Worten werde ich wieder lockerer.
»Hör mal, sie ist am Boden zerstört, ich lüge dir nichts vor. Aber sie macht dir keinen Vorwurf. Sie weiß, dass du das Richtige getan hast. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass sie nicht lange so niedergeschlagen bleibt – sie ist ganz schön hart im Nehmen, weißt du.«
Obwohl ihre Worte mich trösten sollen, bin ich nicht sicher, ob es das besser macht. Will sie etwa andeuten, dass Daire allmählich über mich hinwegkommt – und sich schon anderweitig orientiert ?
Ich schüttele den Gedanken ab. Er ist lächerlich. Ich bin lächerlich. Ich habe doch gesehen, wie sie mich heute auf dem Parkplatz angesehen hat. Genau so, wie ich sie angesehen habe. Außerdem – ist das nicht genau das, was ich ihr gesagt habe ? Dass sie aufhören soll, an mich zu denken – mich zu lieben –, solange es nötig ist ?
Mann, ich hasse meinen Bruder.
»Können wir vielleicht über die Prophezeiung sprechen ?«, entgegne ich, begierig darauf, es zu hören, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass es mir nicht gefallen wird.
Sie bewegt den Kopf vor und zurück und ist offenbar noch nicht ganz bereit, das Spiel aufzugeben. »Ich habe es im Kodex gelesen«, sagt sie seufzend.
Ich nicke ungeduldig, da ich nicht genau weiß, was das ist, aber unbedingt davon hören will.
»Es ist ein beeindruckendes Buch. Alles, was man von einem altehrwürdigen und mystischen Folianten erwarten kann. Mit den sich wellenden Pergamentseiten und den aufwendigen Illustrationen wirkt er wie aus einem Fantasyfilm …« Sie hält inne, wahrscheinlich nur, um mich zu quälen. Sie ist ein nettes Mädchen, eines der nettesten, die ich kenne, aber sie liebt es, ihre kleinen Spielchen zu treiben. »Nicht dass ich die Illustrationen tatsächlich hätte sehen können, aber ich konnte ihre Energie lesen. Auf jeden Fall steht eine Menge drin. Er hat unzählige Seiten, die allesamt in einem speziellen Code verfasst sind, den man erst mühselig entziffern muss. Wenn du es nur sehen könntest: Seine Energie ist so lebhaft, so frisch …«
Ich tappe mit den Daumen aufs Lenkrad und verbeiße es mir, sie anzufahren, damit sie jetzt endlich zur Sache kommt und es mir verrät.
»Also, jedenfalls«, beginnt sie,
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