Das Echo des Bösen: Soul Seeker 2 - Roman (German Edition)
Worte ausgelöst haben. Das habe ich nicht kommen sehen. Doch jetzt, da sie es ausgesprochen hat, wird mir der Sinn ihres Spontanbesuchs schlagartig klar.
»Wann ?« Meine Stimme wird vor Argwohn schrill. »Wann genau hat dir Harlan einen Heiratsantrag gemacht ?«
Sie wendet sich ab und wühlt in dem vergeblichen Versuch, Zeit zu gewinnen, in ihrem Make-up-Koffer herum. Schließlich seufzt sie ergeben. »Letzte Woche, am Strand von Malibu. Bei Sonnenuntergang.« Sie verzieht angewidert das Gesicht, als hätte er unter hässlichen Umständen eine grauenhafte Tat begangen.
»Also deshalb …« Ich werfe ihr einen wissenden Blick zu und lasse den Satz absichtlich unvollendet.
»Deshalb was ? Worauf willst du hinaus, Daire ?« Sie tunkt einen flauschigen Pinsel in einen Tiegel voller Flitter und wirbelt damit über meine Wangen.
»Deshalb bist du hier. Deshalb bist du ins erste Flugzeug nach Enchantment gestiegen. Du läufst vor Harlan davon – vor einer festen Beziehung – vor dem Leben !« Aus blitzenden Augen funkele ich sie an. So besessen bin ich von meiner aufwühlenden Erkenntnis, dass ich mir absolut sicher bin, recht zu haben, und den Anflug von Schmerz auf ihrer Miene beinahe übersehe. Beinahe – aber nicht ganz.
»Ich bin hier, weil Weihnachten ist und ich mit meiner Tochter zusammen sein wollte.« Sie beharrt auf ihrer Geschichte, obwohl ihre Tarnung aufgeflogen ist. »Warum fällt es dir so schwer, das zu glauben ?«
»Es ist nicht so, dass ich es nicht glauben würde.« Ich beobachte sie genau. »Aber es ist eben nicht die ganze Wahrheit. Es steckt noch mehr dahinter, und das weißt du auch. Komm schon, Jennika, warum kannst du nicht einfach zugeben, dass Enchantment, auch wenn du es angeblich noch so furchtbar findest, dein neuer Zufluchtsort geworden ist, wenn dir woanders der Boden unter den Füßen zu heiß wird ?«
Ihr Gesicht verdunkelt sich in einer Weise, die mir sagt, dass ich ihre persönlichen Grenzen weit überschritten habe. Doch nachdem ich mich selbst erst neulich aus meinem eisernen Käfig befreit habe, weiß ich tief in meinem Inneren, dass sie das hören muss. Also fahre ich fort. »Du musst doch selbst zugeben, dass es jetzt, nachdem du dich dauerhaft in L. A. niedergelassen hast, immer schwieriger für dich wird, alldem zu entkommen, vor dem du bisher geflüchtet bist. Du weißt schon, Dinge wie Liebe. Und Bindung. Und die ganz reale, ganz greifbare Möglichkeit, mit einem so tollen, begabten, netten, geduldigen und – ja, für einen alten Knacker sogar gut aussehenden – Mann wie Harlan eine ernsthafte Beziehung einzugehen.« Ich muss schmunzeln, als ich das sage, doch sie erwidert mein Lächeln nicht. »Zum ersten Mal seit langer Zeit hast du eine feste Adresse – einen Ort, wo sich all deine persönlichen Dämonen vor der Haustür drängeln und darauf warten, abgearbeitet zu werden. Und jetzt, wo dir die Ausreden ausgegangen sind, kannst du nicht einfach zum nächsten Engagement als Visagistin ans andere Ende der Welt aufbrechen. Jetzt musst du dich alldem stellen, und das macht dir eine Heidenangst. Und was tust du dann ? Du kommst mich besuchen.« Ich verschränke die Arme und warte gespannt ab, ob sie mir zu widersprechen wagt.
Doch sie verdreht nur die Augen. »Und wer hat dich zur Beziehungsberaterin berufen ?«
»Warum gibst du ihm keine Chance ?«, dränge ich. »Warum hältst du dir nicht die Nase zu, machst die Augen zu und springst rein ? Probierst aus, wie weit du dich fallen lassen kannst, ohne dich selbst zu verlieren ? Ich bin mir ziemlich sicher, dass Harlan weiß, worauf er sich einlässt. Er erwartet garantiert nicht, dass du deine Karriere oder auch nur deinen Namen aufgibst. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er dich genau so will, wie du bist.«
Jennika lässt sich Zeit. Ob sie nun über meine Worte nachsinnt oder darauf wartet, dass das Thema einen natürlichen Tod stirbt, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ihre Stimme, als sie mich schließlich wieder ansieht, ebenso resigniert klingt, wie ihre Miene aussieht.
»Entweder lässt du mich deine Lippen schminken oder du versuchst dich weiter daran, mich psychoanalytisch zu durchleuchten. Es ist deine Entscheidung, Daire. Du hast es in der Hand, wie schnell du von hier wegkommst.«
Unsere Blicke begegnen sich, und ich beschließe, ihr in diesem Punkt den Sieg zu gönnen. Indem ich den Samen gesät habe, habe ich bereits gewonnen.
Dann hebe ich das Kinn, schürze die Lippen und setze mich wieder
Weitere Kostenlose Bücher