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Das Echo dunkler Tage

Das Echo dunkler Tage

Titel: Das Echo dunkler Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dolores Redondo
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allerdings auch: Wenn sie nicht aufpasste, würde der Spalt sich wieder schließen, und dann würde der Vampir zurückkehren und sich nachts über sie beugen. Im Augenblick aber konnte sie sich sogar eine Welt vorstellen, in der die Gespenster der Vergangenheit sie nachts nicht mehr heimsuchten, eine Welt, in der sie sich James endlich ganz öffnen könnte.
    Aber Dupree hatte noch eine weitere Frage gestellt, die ihr nicht mehr aus dem Kopf ging. Wo kommt er her? Es war eine kluge Frage, die sie sich auch gestellt hatte, auf die sie aber keine Antwort wusste. Ein Serienmörder kam nicht einfach aus dem Nichts. Andererseits hatte die Suche nach Tätern, die ins Profil passten, nichts ergeben. Reset. Ausschalten und wieder einschalten. Manchmal ist die Antwort nicht die Lösung des Rätsels. Es kommt darauf an, die richtige Frage zu stellen. Die Frage. Die Formel. Was muss ich tun? Ich muss die richtige Frage stellen. Sie betrachtete sich im Spiegel, und plötzlich durchzuckte sie die Gewissheit wie ein Blitz. Sie warf den Bademantel ab und zog ihre Sachen wieder an. Als sie im Kommissariat eintraf, war Zabalza noch da.
    »Hallo, Inspectora Salazar! Ich wollte gerade gehen«, sagte er, als müsste er rechtfertigen, dass er noch arbeitete.
    »Ich muss Sie leider bitten, noch etwas zu bleiben.«
    Er nickte.
    »Natürlich.«
    »Ich möchte, dass Sie die Akten der letzten fünfundzwanzig Jahre durchgehen: alle Morde an Minderjährigen hier im Tal.«
    Er riss die Augen auf.
    »Aber das kann Stunden dauern. Außerdem haben wir hier nicht alle Informationen, die Policía Foral war früher in Mordfällen nicht zuständig.«
    »Sie haben recht«, gab sie zu, ohne ihren Ärger zu verhehlen. »Wir weit reichen unsere Akten zurück?«
    »Zehn Jahre. Und die haben Inspector Iriarte und ich uns angesehen, ohne Ergebnis.«
    »Gut, Sie können gehen.«
    »Sicher?«
    »Ja, mir ist da eine Idee gekommen. Gehen Sie ruhig, wir sprechen uns morgen.«
    Sie holte ihr Handy aus der Tasche und rief Teniente Padua an.
    »Teniente Padua, Sie schulden mir doch noch einen Gefallen, erinnern Sie sich?«
    Fünfzehn Minuten später war sie in der Kaserne der Guardia Civil.
    »Fünfundzwanzig Jahre, das ist lange her. Manche Fälle sind noch nicht mal im Computer. Wenn Sie die Akten einsehen wollen, müssen Sie nach Pamplona fahren. Für Mordfälle war damals die Policía Nacional zuständig, wir haben uns nur um Verkehr, Berge, Grenzen und Terrorismus gekümmert. Aber ich will sehen, was ich tun kann. Was interessiert Sie konkret?«
    »Verbrechen an jungen Frauen hier im Tal. Wir sind alle Fälle der letzten zehn Jahre durchgegangen, aber über die Zeit davor haben wir keine Akten.«
    Padua sah im Computer nach.
    »Erfasst haben wir die Fälle ab 1987. Können Sie es noch weiter eingrenzen? Was für eine Art von Verbrechen?«
    »Fälle, bei denen die Opfer am Fluss oder im Wald gefunden wurden, erwürgt, nackt.«
    »Ah!«, rief er auf einmal. »Da war tatsächlich ein Fall, mein Vater hat mir damals davon erzählt. In Elizondo wurde ein Mädchen vergewaltigt und erwürgt. Ist lange her, ich war damals noch klein. Klaus hieß sie mit Nachnamen, kam vom Balkan oder so. Mal schauen, ob ich was finde.«
    Er ging ein Jahr nach dem anderen durch, bis er endlich fündig wurde. »Da haben wir’s: Klas, nicht Klaus. Teresa Klas. Vergewaltigt und erwürgt. Wurde auf den Feldern des Bauernhofs gefunden, auf dem sie gearbeitet hat. Hat die alte Hausherrin betreut. Der jüngste Sohn wurde festgenommen, aber später wieder freigelassen. Alle Lohnarbeiter wurden verhört, ohne Ergebnis.«
    »Wer hat den Fall bearbeitet?«
    »Die Policía Nacional.«
    »Steht da, wer die Ermittlungen geleitet hat?«
    »Nein, aber ich weiß noch, wer bei meinem Eintritt in die Polizeiakademie Chef des Morddezernats war, ein Capitán der Policía Nacional von Irún. Der Name fällt mir nicht mehr ein, aber ich kann meinen Vater anrufen, der war damals auch bei der Guardia Civil und weiß es bestimmt noch.«
    Er rief ihn an, sprach einige Minuten mit ihm und legte wieder auf.
    »Alfonso Álvarez de Toledo. Kommt Ihnen der Name bekannt vor?«
    »Ist das nicht ein Schriftsteller?«
    »Ja, er hat nach der Pensionierung mit dem Schreiben angefangen. Er wohnt immer noch in Irún, mein Vater hat mir seine Telefonnummer gegeben.«
    Im Gegensatz zu Elizondo war in Irún auch um ein Uhr morgens noch einiges los. Die Kneipen in der Luis-Mariano-Straße waren gut besucht. Immer wenn die Tür

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