Das Echo dunkler Tage
eingefangen haben. Dieses Wesen wollte sich Ihnen zeigen, es wollte sich über uns mit Ihnen in Verbindung setzen. Sie können übrigens ganz beruhigt sein. Wir haben nicht vor, diese Entdeckung publik zu machen, damit würden wir nur unsere Karriere ruinieren. Denn von einem bin ich überzeugt: Selbst wenn man an jeden Baum eine Kamera hängen würde, bekäme man dieses Wesen nie wieder vor die Linse. Und was noch schlimmer wäre: Wenn es sich rumspräche, würde es hier in den Bergen von Basajaunjägern bald nur so wimmeln.«
»Wir haben das Originalband zerstört. Das hier ist die einzige Kopie«, sagte Dr. González, öffnete das Laufwerk und überreichte Amaia die CD.
»Danke!«
Sie setzte sich ans Fußende des Bettes und wusste nicht recht, was sie mit der schillernden Scheibe anstellen sollte.
»Da ist noch etwas«, riss Dr. Takchenko sie aus ihren Gedanken. Sie reichte ihr eine der braunen Mappen. Amaia stand auf, nahm sie entgegen und schlug sie auf. Darin war eine Kopie der Mehlanalyse.
»Erinnern Sie sich, dass ich noch eine weitere Untersuchung vornehmen wollte?«
Amaia nickte.
»Ich habe die Proben noch einmal untersucht, diesmal mit einem Massenspektrometer. Zunächst wollten wir ja nur herausfinden, ob es Übereinstimmungen gibt, deshalb kam auch erst das HPLC zur Anwendung. Mit Hilfe eines Massenspektrometers aber kann man jedes einzelne Element einer Substanz identifizieren. Können Sie mir folgen?«
Amaia nickte und wurde langsam ungeduldig, sagte aber nichts.
»Ich habe also alle Proben noch einmal analysiert und konnte bei vielen Elementen eine partielle Übereinstimmung feststellen.«
»Was heißt das?«
»Dass Elemente des Kuchens mit Elementen des Mehls übereinstimmen, dass diese Elemente aber mit anderen Elementen verbunden waren, die nicht im Kuchen waren.«
»Haben Sie eine Erklärung dafür?«
»Habe ich, und sie ist ganz einfach: In der Probe, die Sie mir gebracht haben, waren zwei Mehlsorten vermischt, die vom Kuchen und eine andere.«
»Wie das?«
»Wahrscheinlich wurde der Behälter, in dem das Mehl für den Kuchen war, später mit einem anderen Mehl gefüllt, ohne ihn vorher gründlich zu säubern. Tatsächlich habe ich von dem ersten Mehl nur winzige, kaum nachweisbare Mengen gefunden. Aber dem Spektrometer entgeht eben nichts.«
Amaia versuchte die Schaubilder auf dem Blatt zu interpretieren, aber die farbigen Spalten verzerrten sich zu merkwürdigen Formen.
»Welche Probe ist es?«
Dr. Takchenko kam zu ihr, nahm den Bericht und blätterte ihn vorsichtig durch.«
»Die hier, die S 11.«
Amaia war wie vom Donner gerührt. Sie ließ sich aufs Bett sinken und starrte das Schaubild an, das gestochen scharf vor ihren Augen stand. Probe Nummer 11: Mantecadas Salazar .
Es hatte wieder zu regnen begonnen, als sie das Hotel verließ. Sie überlegte, ob sie zu ihrem Auto rennen sollte, aber ihr Gemütszustand und die Gedanken, die sich in ihrem Kopf überschlugen, lähmten sie. Stattdessen schleppte sie sich über den Parkplatz und wurde triefend nass. Vielleicht brachte das Wasser Läuterung und spülte ihre Verwirrung weg. Als sie bei ihrem Wagen ankam, sah sie eine Gestalt im Regen stehen. Die schwarz glänzende Lube und die Motorradkluft waren unverwechselbar.
»Víctor? Was machst du denn hier?«
Ihr Schwager sah sie überrascht und schmerzerfüllt an. Trotz des Regens konnte Amaia erkennen, dass seine Augen gerötet waren und Tränen über sein Gesicht liefen.
»Víctor, was ist?«
»Warum tut sie mir das an, Amaia? Warum tut mir deine Schwester das an?«
Sie sah zum Restaurant. An einem Tisch saßen Flora und Fermín Montes. Sie lachte über etwas, das er gerade gesagt hatte, und er beugte sich über den Tisch und küsste sie auf die Lippen. Flora strahlte.
»Warum?«, fragte Víctor noch einmal.
»Weil sie ein Miststück ist«, sagte Amaia.
Víctor stöhnte auf, als hätte ihre Bemerkung einen Abgrund vor ihm aufgerissen.
»Gestern haben wir den Nachmittag zusammen verbracht. Und heute Morgen hat sie mich angerufen, um mich zum Essen bei euch einzuladen. Ich dachte, wir finden allmählich wieder zueinander. Und jetzt das. Dabei mache ich alles für sie. Alles. Nur, um sie zufriedenzustellen. Warum, Amaia? Was will sie?«
»Dir wehtun, Víctor. Aus reiner Boshaftigkeit. Sie ist wie Mutter. Eine herzlose Hexe.«
Er weinte jetzt noch stärker, krümmte sich zusammen, als würde er gleich zu Boden sinken. Amaia empfand tiefes Mitgefühl mit ihm. Víctor war
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