Das Echo dunkler Tage
Schwester an, als überlegte sie, ob sie sie in ein Geheimnis einweihen sollte oder nicht.
»Weißt du was? Mir wurde gerade eine Konditorsendung im Fernsehen angeboten. Aber nicht weitersagen.«
»Mein Gott, Flora! Toll, herzlichen Glückwunsch!«, rief Amaia.
»Noch habe ich nicht unterschrieben, der Vertrag liegt bei meinem Anwalt. Sobald er grünes Licht gibt … Ich hoffe nur, dass diese Mordfälle sich nicht negativ auswirken. Vor einem Monat dieses junge Mädchen, das von ihrem Freund umgebracht wurde. Und jetzt schon wieder eins.«
»Warum sollte sich das auf deine Arbeit auswirken? Du hast doch überhaupt nichts damit zu tun.«
»Auf die Arbeit selber nicht, aber auf mein Image und das von Mantecadas Salazar , die sind nämlich eng mit Elizondo verknüpft. Solche Vorfälle schädigen den Ruf unseres Städtchens, und das ist nicht gut für den Tourismus und den Umsatz.«
»Du bildest dir doch sonst so viel auf deine große Menschlichkeit ein! Darf ich dich daran erinnern, dass zwei Mädchen ermordet wurden, zwei Familien zerstört? Und du denkst darüber nach, wie sich das auf den Tourismus auswirkt?«
»Irgendjemand muss es ja tun.«
»Dafür bin ich zuständig, Flora. Ich werde den oder die Täter schnappen, damit in Elizondo wieder Ruhe einkehrt.«
Flora sah sie skeptisch an.
»Wenn du das Beste bist, was die Polizei zu bieten hat, dann gute Nacht.«
Im Gegensatz zu Rosaura konnten Amaia die Sticheleien ihrer Schwester nichts anhaben. Wahrscheinlich hatten die drei Jahre an der Polizeiakademie sie abgehärtet, die Scherze und Späße, denen sie in dieser Männerwelt ständig ausgesetzt gewesen war. Außerdem hatte es ihr Selbstvertrauen gestärkt, dass sie als erste Frau zur Inspectora der Mordkommission aufgestiegen war. Floras Stänkereien hätten sie sogar amüsiert, wäre sie nicht ihre Schwester gewesen. So war sie eher bestürzt darüber, wie boshaft Flora war, wie jede Geste, jedes Wort nur dazu dienten, andere zu verletzen. Sie bemerkte, dass Flora den Mund zusammenkniff und ein verdrossenes Gesicht machte, weil sie sich nicht aus der Ruhe hatte bringen lassen. Sie wollte ihr schon spöttisch antworten wie einer aufsässigen Göre, als ihr Handy klingelte. Es war Jonan Etxaide.
»Chefin, wir haben die Fotos und das Video vom Friedhof.«
Amaia sah auf die Uhr. »Sehr schön, ich bin in zehn Minuten da. Trommle schon mal alle zusammen!« Sie legte auf und sagte zu Flora: »Ich muss los, Schwesterherz, so unfähig ich auch sein mag: Die Pflicht ruft.«
Flora machte ein Gesicht, als wollte sie noch etwas sagen, überlegte es sich aber anders.
»Was guckst du denn so?«, fragte Amaia. »Nicht traurig sein, ich komme bald wieder. Ich muss dich nämlich noch was fragen. Außerdem freue ich mich schon auf eine weitere Tasse von diesem köstlichen Kaffee.«
Als sie die Backstube verließ, wäre sie beinahe in Víctor gerannt, der mit einem riesigen Strauß Rosen vor der Tür stand.
»Danke, Schwager, wäre doch nicht nötig gewesen«, rief Amaia lachend.
»Hallo, Amaia, die sind für Flora. Heute ist unser Hochzeitstag, der zweiundzwanzigste«, sagte er strahlend.
Amaia schwieg. Flora und Víctor waren seit zwei Jahren getrennt, wenn auch noch nicht geschieden. Víctor war auf das prachtvolle Gehöft gezogen, das seiner Familie gehörte, während Flora in dem gemeinsamen Haus wohnen geblieben war. Er bemerkte Amaias Verwirrung.
»Ich weiß, was du jetzt denkst, aber Flora und ich sind immer noch verheiratet: ich, weil ich sie nach wie vor liebe, sie, weil sie nichts von Scheidung hält. Kann mir ja auch egal sein, Hauptsache, mir bleibt noch ein Fünkchen Hoffnung, oder?«
Amaia ergriff die Hand, in der er den Strauß hielt.
»Sicher, Schwager, viel Glück!«
Er lächelte.
»Kann ich bei deiner Schwester brauchen.«
7
W ie in Pamplona und Tudela war das Kommissariat der Policía Foral von Elizondo ein Neubau, der sich von der üblichen Architektur der Gegend abhob. Es hatte zwei Stockwerke, und die weiße Vorderfront wurde dominiert von großen Fensterscheiben aus verspiegeltem Glas. Das obere Stockwerk überragte das untere und bildete eine Art umgekehrte Treppe, wodurch das Ganze wie ein Flugzeugträger wirkte. Nur die Streifenwagen vor der Tür, die vielen Überwachungskameras und die verspiegelten Scheiben erinnerten daran, dass es sich um ein Polizeirevier handelte.
Der Comisario sicherte Amaia und ihren Kollegen noch einmal jegliche Unterstützung zu. Dann machten sie sich
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